Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Hatte sie nicht, die dumme Pute, die wusste nicht mal, von wem ich sprech. Ich hab gesagt, ich seh mich um, und das hab ich dann auch getan. Die Verkäuferin ist dann noch mal zu mir hergekommen und hat gesagt, dass sie im Computer nachgeschaut hat und was bestellen kann von Chief Obey. Da hab ich sie angebrüllt, dass ich keine Zeit hab, dass ich die CD entweder gleich brauch oder gar nicht, und ich hab so lange gebrüllt, bis der Chef gekommen ist und mich rausschmeißen wollte. Ich bin aber freiwillig gegangen. Die zwei CDs habe ich schon vorher gebunkert gehabt, das haben die nicht mitgekriegt, es war sowieso bloß Mist, irgendein Rockmist, ich habe die CDs gleich getauscht, gegen ein neues Messer, das hat wenigstens Sinn, mehr als dieser Scheißrockmist.«
    »Warum wolltest du ausgerechnet eine CD von Chief…
    wie heißt der?«
    »O Gott, bist du blöd!«, brüllte Lucy plötzlich. »Was geht dich das überhaupt an, du hast überhaupt keine Ahnung…«
    »Beruhig dich, Lucy…«
    »Sag nie wieder Lucy zu mir!«, schrie sie der Chefreporterin ins Gesicht. »Du hast null Ahnung und es ist dir scheißegal, warum ich das alles getan hab, das ist dir alles scheißegal, du!« Und dann schnellte sie empor, der Stuhl kippte um, sie sprang auf den Tisch, und ehe jemand eingreifen konnte, hatte sie Nicole gepackt und mit voller Wucht zu Boden gerissen. Mit den Fäusten schlug sie auf sie ein, die Reporterin hielt die Arme hoch, aber das nutzte ihr nichts. Elisabeth Kurtz sah verzweifelt den jungen Mann mit dem Gipsarm an, der diesen seltsam schräg hochhielt und nichts tat, als seine Aktentasche an sich zu drücken, und auch der andere zögerte, und es kam der Psychologin so vor, als würde er absichtlich nicht eingreifen, als habe er nur darauf gewartet, dass so etwas passierte. Also rannte sie um den Tisch herum und versuchte Lucy von hinten zu packen und von Nicole loszureißen. Doch Lucy schlug mit den Ellenbogen zu und war nicht zu bändigen. Jetzt endlich griff der junge Mann ein, er packte Lucy an den Haaren und zerrte sie von seiner Kollegin weg. Lucy schrie laut auf, der junge Mann verpasste ihr einen Hieb auf den Kopf, dann ohrfeigte er sie mehrmals und sie sackte zu Boden. Noch einmal schlug er ihr mit der flachen Hand ins Gesicht und dann kamen schon zwei Aufseher, drehten Lucy die Arme auf den Rücken, schleiften sie aus dem Raum und brachten sie in die Einzelzelle. Über sein Handy rief der junge Mann, der so spät eingegriffen hatte, den Notarzt. Der andere kniete jetzt neben Nicole, die stark aus der Nase blutete und Platzwunden im Gesicht hatte. Der Mann hielt seinen Gipsarm über sie, offenbar hatte er Probleme, damit zurecht zu kommen. Für Elisabeth Kurtz bedeutete die Eskalation des Gesprächs ein Desaster, sie trug die Verantwortung und es war das eingetreten, was sie am meisten befürchtet hatte. Und dabei stand ihr das Schlimmste noch bevor.

10   16. August, 22.02 Uhr
    K einer von beiden hatte sich in den vergangenen zwanzig Minuten auch nur geräuspert. Stattdessen spielten sie mit den Händen und Füßen, Tabor Süden, indem er mit den Daumen auf die Knie trommelte oder die Finger flattern ließ, was ein nervöses Geräusch ergab, Lucy, indem sie ihre Füße anhob und senkte, die Zehen gegeneinander klopfte und sie hüpfen ließ wie winzige Puppen. Vom Flur waren vereinzelt Stimmen zu hören, von irgendwoher kam Wasserrauschen und einmal zwitscherte ein Vogel. Lucy legte den Kopf an die Wand und lauschte und Süden sah ihr Lächeln. Es war nicht um ihren Mund, es veränderte nur für Sekunden ihre schwarzen Augen, und als sie merkte, dass er sie beobachtete, senkte sie den Blick, und er hätte sie umarmen können deswegen.
    Sie hatte ihm nicht geantwortet, sie erlaubte ihm zu bleiben, mehr nicht. Langsam wurde ihm kalt und er dachte an den Bericht, den Nicole Sorek nach ihren Erlebnissen hier im Gefängnis verfassen würde, und auch wenn sie keine Bilder hatte, so dürfte ihre Schilderung doch sehr farbenfroh und drastisch ausfallen. Etwas Besseres hätte ihr als Reporterin nicht passieren können.
    »Sie hat dich provoziert«, sagte Süden. Lucy zog die Beine enger an den Körper und rieb ihr Kinn an den Händen, die sie auf die Knie gelegt hatte. »Wenn sie Anzeige erstattet, dann macht der Staatsanwalt einen Luftsprung. Er will dich im Gefängnis sehen, und zwar solange es gesetzlich möglich ist.«
    »Das ist doch lächerlich.«
    »Was?«
    Ihre Bemerkung kam so überraschend für ihn, dass

Weitere Kostenlose Bücher