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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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er sie beinah überhört hätte. Er sah sie an.
    »Lächerlich?«, sagte er. »Findest du dich lächerlich?« Lucy rieb sich mit der Fingerkuppe über die Zunge, die ihr an der Spitze immer noch wehtat.
    »Na und?«, sagte sie.
    »Ich werd mit ihr reden, ich versuch sie zu besänftigen.«
    »Wieso denn?«
    »Ist dir egal, was mit dir passiert? Ob du ins Gefängnis musst?«
    »Bin ich doch schon.«
    »Später, nach der Gerichtsverhandlung.«
    »Knast ist überall, großer Manitu, merkst du das nicht?«
    »Warum sagst du Manitu zu mir?«
    »Vergiss es wieder!«
    Er stand auf und drehte sich im Kreis. Sie verzog das Gesicht. Ich habs immer gewusst, der Typ ist undicht, der macht einen auf Bulle, aber in Wirklichkeit ist er ein durchgeknallter Voodoo-Master oder so was. Man muss aufpassen bei dem, der bringts fertig und hypnotisiert einen und dann tschüss, Mutter Erde, der stopft die Löcher im Weltall mit dir, da wett ich drauf!
    »Jetzt was anderes«, sagte er. Ohne dass sie es mitgekriegt hatte, stand er plötzlich direkt vor ihr und verschränkte die Arme.
    Is was, Alter? Versperr mir nicht die Aussicht, Mann!
    »Du schuldest mir noch hundertsiebzig Mark.«
    »Hä?«
    »Du hast mir hundertsiebzig Mark geklaut, die will ich wiederhaben«, sagte Süden.
    Lucy hatte das seltsame Gefühl, wenn schon nicht in einer Comedy-Show, so doch im Cabinet des Dr. Abgespaced zu sein. »Was is, Alter?«
    »Hundertsiebzig Mark«, sagte er, »ich nehm auch Euro.«
    »Klar Euro, kommst du billiger weg, mindestens die Hälfte. Ich hab dein Geld nicht mehr. Komm ich jetzt ins Gefängnis?«
    »Da bist du doch schon.«
    Ruckartig sprang sie von der harten Liege, nahm die Decke und wickelte sie sich um den Körper. Mit schlurfenden Schritten umkreiste sie den Polizisten, die Arme vor der Brust verschränkt, die Augen halb geöffnet, als sei sie hundemüde. Süden blieb einfach stehen, wartete, bis sie in sein Blickfeld kam, und schloss halb die Augen, genau wie sie. Sie verzog keine Miene. Mindestens zwölfmal umrundete sie ihn, sie belauerten einander, Lucy machte eine Drehung und ihre Blicke kreuzten sich in derselben Sekunde. Als es wieder so weit war, sagte er: »Warum hast du die Journalistin verprügelt?«
    Sie antwortete nicht.
    Die Tür wurde aufgerissen. Außer sich, rot im Gesicht und mit bebender Stimme stürzte Elisabeth Kurtz herein.
    »Kommen Sie!«, rief sie. »Bitte kommen Sie und du kommst auch mit!«
    Lustlos taperte Lucy hinter den beiden Erwachsenen ins Büro der Psychologin. Dort standen Hermann Gieseke, der Anstaltsleiter, und fünf seiner Mitarbeiter mit entsetzten Gesichtern vor dem Fernseher. Elisabeth Kurtz griff nach Südens Arm.
    »Die haben uns alle gelinkt!«, stieß sie hervor. »Der Kerl hatte eine Kamera in seinem Gips, die haben alles aufgenommen, die haben alles darauf angelegt, dass Lucy ausrastet…« Vor Aufregung schnappte sie nach Luft, drängte sich näher zum Apparat.
    »Sehen Sie das? Entsetzlich! Und ich hab das erlaubt, sehen Sie, sehen Sie!«
    Süden sah alles: Wie Lucy aufspringt, wie sie die Reporterin unter sich begräbt, wie sie zuschlägt, wie sie immer weiter mit den Fäusten auf sie eintrommelt, wie Elisabeth Kurtz dabeisteht und nicht eingreift.
    »Der hat mich gefilmt, sehen Sie das? Ich steh da wie Lots Frau! Um Himmels willen! Und die senden das!«
    »Wir werden sie so verklagen, dass sie sich nie wieder davon erholen«, sagte Gieseke. Er rauchte eine Zigarette und wirkte gelassen.
    »Das spielt doch momentan keine Rolle, ob die verklagt werden!«, rief die Psychologin. »Die senden das jetzt die ganze Nacht und morgen den ganzen Tag und wir können es ihnen nicht verbieten.«
    »Und ob«, sagte Gieseke. »Ich ruf gleich einen Anwalt an, die kriegen eine einstweilige Verfügung und basta. Die haben hier ohne Erlaubnis gedreht. Die zahlen sich schwarz, das garantier ich Ihnen, Frau Doktor!«
    »Sehen Sie!«, rief sie wieder. »Erst jetzt greift der Kerl ein, das ist alles abgesprochen gewesen, das war alles geplant! O Gott!« Ihre Finger krallten sich in Südens Unterarm, sie war den Tränen nahe, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Was sie da mit ansehen musste, war das grauenvollste Erlebnis ihres bisherigen Berufslebens. Ich bin schuld, niemand sonst, ich hab die Journalisten reingelassen, ich hab ihnen das Gespräch erlaubt, ich hab gesagt, es passiert nichts, und jetzt? Natürlich kriegen sie eine einstweilige Verfügung, natürlich dürfen sie den Beitrag morgen nicht mehr

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