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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Morgen in Liebe schwelgen, wir wollen die Liebeslust kosten. Denn mein Mann ist nicht zu Hause, er ist auf Reisen, weit fort. Den Geldbeutel hat er mitgenommen, erst am Vollmondstag kehrt er heim. So macht sie ihn willig mit viel Überredung, mit schmeichelnden Lippen verführt sie ihn…«
    Jedes Wort, das sie anhören musste, drang wie ein Dorn in sie, und sie empfand keine Schuld. Ich hab so was nie getan, dachte Natalia, und schon stach ein neuer Dorn, das nächste Wort in ihr Herz, und tiefer, tiefer, Sekunde um Sekunde.
    »Betört folgt er ihr wie ein Ochse, den man zum Schlachten führt…«
    Während sie auf den Lift warteten, fragte Niklas Ronfeld:
    »Haben Sie Kinder?« Funkel schüttelte den Kopf.
    »Zwei«, sagte Thon, »jünger als Lucy.«
    »Das ist eine Tragik mit dem Mädchen«, sagte Ronfeld.
    »Wir sprechen jeden Abend über sie, meine Frau und ich. Sie sagt, sie würde verzweifeln, wenn sie so eine Tochter hätte. Ich sag ihr, wir hätten so eine Tochter nicht, weil die Umstände bei uns ganz andere sind. Aber man weiß nie. Es fällt mir nicht leicht, meine persönlichen Gedanken von den beruflichen zu trennen, es gibt Momente, da muss ich mich dazu zwingen.
    Sibylle, meine Frau, hat ein Wort für Lucy Arano geprägt, das vielleicht zutrifft. Sie sei ein entgleistes Kind, sagt sie immer, ein entgleistes Kind. Leider ist niemand von uns in der Lage, sie wieder aufs Gleis zu bringen, das können wir nicht, das ist nicht unsere Aufgabe. Es ist eine Tragik.«
    »Vielleicht wäre ein geschlossenes Heim die bessere Lösung als eine Ausweisung«, sagte Funkel.
    »Der Richter wird entscheiden«, sagte Ronfeld und betrat den Aufzug, einen engen, altmodischen Kasten.
    »Grüße an Ihre Frau, Herr Thon!«
    Im Treppenhaus ging das Licht aus.

8   16. August, 21.32 Uhr
    F ür den Mann in der Strickjacke und mit der karierten Schiebermütze war die Sache klar. »Die Kerle schnappen und Rübe ab«, sagte er zu Tabor Süden, der neben ihm in der Straßenbahn saß. »Solche haben hier nichts verloren, eine Frau entführen und damit Politik machen wollen! Ich hätt das nicht für möglich gehalten, hier in München, dass die hier unbemerkt leben können, ist mir ein Rätsel. Wir haben doch den BND vor der Tür, eine funktionierende Kripo, was ich so les, wie ist das möglich? Wenn so was im Osten passiert, gut, vorstellbar. Kennen Sie Eberswalde? Da wo sie damals diesen Angolaner umgebracht haben, die Skinheads und diese Typen. Unter uns, diese Skinheads sind doch Verrückte, die wissen doch überhaupt nicht, was sie tun, das sind besoffene Idioten, Arbeitslose, Taugenichtse, die gehen auf die Straße und machen Krawall. Die wirklich Gefährlichen, das sind die anderen, die den Skinheads helfen, die normalen Bürger, die hinter den Fenstern stehen und klatschen, da oben in Brandenburg, in Eberswalde, in Hoyerswerda oder in Mecklenburg-Vorpommern, das sind die Gefährlichen, vor denen muss man sich fürchten. Die haben doch kein Unrechtsbewusstsein, die denken, sie sind frei, weil die DDR nicht mehr existiert, so ein Witz! Man ist nicht einfach frei, weil sich die Regierung ändert, sind Sie da anderer Meinung? Na also. Ich sag Ihnen was, da drüben möcht ich nicht leben, wär mir zu riskant, und ich bin kein Ausländer, ich bin kein Neger, und ich würd mich trotzdem nicht wohl fühlen. Die haben was…«
    Er beugte sich näher zu Süden. »Die haben so was Verschlagenes, schon mal aufgefallen? Wie die gehen, wie die schauen, wie die in den Läden stehen und die Ware in die Hand nehmen, das ist alles so… unkalkulierbar. Ich hab welche kennen gelernt, zwei Ehepaare, auf dem Frühlingsfest auf der Theresienwiese, die haben hier Urlaub gemacht, eigentlich nette Leute, aus irgendwo hinter Dresden, die haben sich hier mal umgeschaut, sie haben überlegt, ob sie vielleicht umziehen. Ich hab ihnen abgeraten, ehrlich, ganz offen, ich hab gesagt, das ist hier auch kein leichtes Pflaster, ist es ja auch nicht. Alle schwärmen immer von München, von Bayern, die Seen, die Berge, freilich, ist schon schön bei uns, aber sehen Sie irgendwo noch Einheimische? Da müssen Sie ganz schön hinschauen, bis Sie mal einen sehen. Urlaub, gut, aber gleich hierherziehen und sich breit machen? Verstehen Sie mich nicht falsch, wir sind ja alle irgendwie ein Volk, wir sprechen dieselbe Sprache, na ja, fast. Die Leute, von denen ich Ihnen erzählt hab, aus Dresden da irgendwo, die haben einen Dialekt gesprochen, ich sags Ihnen, da biegts

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