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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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nichts anstellen. Leider haben wir uns getäuscht. Unser Bildmaterial beweist, wie wir, zumindest im Moment, Lucy Arano sehen müssen, nämlich als eine kaltblütige Schlägerin, die nicht einmal Gefängnismauern zur Vernunft bringen können. In unserer ersten Sondersendung morgen früh wird ›Vor Ort‹ Interviews mit Personen bringen, die Lucy Arano kennen und uns vielleicht etwas über ihren Charakter erzählen können. Was mich persönlich betrifft…«
    Vom Büro des Anstaltsleiters aus rief Elisabeth Kurtz ihren Freund an, er solle sofort herkommen und ihr beistehen. Durch die offene Tür hörte sie die letzten Sätze von Nicole Sorek nur mit halbem Ohr.
    »… so bin ich gerade noch einmal davongekommen. Ich darf mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn es Lucy gelungen wäre eine Waffe einzuschmuggeln, ein Messer zum Beispiel.«
    »Lass uns nicht an so was denken, Nicole!«, sagte ihr Chef.
    »Wir alle im Sender sind stolz auf eine mutige Reporterin wie dich und wir freuen uns, dich morgen früh wieder hier zu sehen.«
    »Danke, Dieter.«

11   16. August, 23.08 Uhr
    S ie schlug die Tür hinter sich zu, warf sich auf die Pritsche und hasste die Welt. Sie hasste jeden Tag, den sie gelebt hatte, vor allem den Tag ihrer Geburt, der ein Dienstag war, wie ihre Mutter erzählt hatte. Verfluchter Dienstag, wer will schon an einem Dienstag geboren sein? Sie hasste jeden einzelnen Tag der Woche, jede Stunde, jede einzelne verfluchte Minute, jede einzelne verfluchte Sekunde, jede einzelne verfluchte Tausendstel und Abertausendstelsekunde, sie hasste die Zeit und ihr Hass reichte ihr nicht, um das alles zu hassen, was sie hassen wollte und hassen musste, weil das alles überhaupt nichts anderes verdient hatte als gehasst zu werden, so gehasst, so unglaublich tief gehasst. Sie lag da und roch den Mief der Matratze. Da hausen wahrscheinlich Kakerlaken drin, ätzende kleine Biester, die jeder killt, der sie bloß sieht, die hassen die Welt genauso, die sind genauso zu nichts nutze, die sind bloß da, weil irgendwer einen Fehler gemacht hat, einen Fehler im Labor, hat Scheiße gebaut und es nicht geschnallt, irgendwer, Gott nicht, weil den gibts nicht, das steht fest, irgendwer, oder auch niemand, der große Niemand. In ihrer Nase kribbelte es und sie wischte mit dem Handrücken drüber, und die Pritsche knarzte. Verfluchter Knast, ich hätt die Superniete totschlagen sollen, dann hätt sichs wenigstens gelohnt. Fragt die, wieso ich die CD von Chief Obey kaufen wollte, fragt die mich das ins Gesicht und vergisst seinen Namen, innerhalb von drei Sekunden, die vergisst den Namen und macht sich lustig über den Chief und über mich und über meine Mama, diese Superniete. Wieso hab ich die nicht totgeprügelt, das hat die verdient, ich hätt ihr alle Haare ausreißen und sie dann fertig machen sollen, das wär ein Spaß gewesen, und diese Sau von Kameramann gleich mit. Hat der doch echt eine Kamera eingeschmuggelt, ich hab mir gleich gedacht, da stimmt was nicht, wieso kommt da einer mit, der einen Gips hat, ist doch total unlogisch, hab ich mir gleich gedacht, dass da was faul ist. Sie fuhr herum, warf sich auf den Rücken und da stand er.
    Stand direkt vor ihr. Schon wieder! Und sie erschrak so sehr, dass sie hochschnellte und ihm gegen die Brust schlug, mit der Faust, ansatzlos. Und er stand da und bewegte sich nicht. Vom Aufprall taten ihr die Finger weh, sie sprang ein paar Mal hoch auf ihrer Pritsche, wippte in den Knien und wenn er einen hundertstel Millimeter näher käme, würde sie ihm eins auf die Nase verpassen, wie dieser dämlichen Reporterin, volles Rohr. Und das führt dann zu starken Gefühlen, Alter, da stehen dir die Augen unter Wasser, ich habs gesehen, ich kenn mich aus, Fucking Bull. Sie hasste ihn, sie hatte ihn vom ersten Moment an gehasst, schon als er auf der Straße aufgetaucht war und sich als Held aufgespielt hatte, da hatte sie ihn sofort gehasst, deswegen hatte sie ihn später auch beklaut, das musste sein, das hast du verdient, Opa.
    »Was du getan hast, ist ein Desaster«, sagte Tabor Süden.
    »Klar«, sagte Lucy, »das lucylianische Desaster, dafür bin ich berühmt.«
    »Das lucylianische Desaster?«
    »Soll ichs dir aufschreiben, Opa?«
    »Ich bin dreiundvierzig.«
    »So was kommt vor, Opa.«
    Er strich sich die Haare nach hinten und fuhr sich mit der flachen Hand über die Wangen; die Stoppeln wuchsen sich allmählich zu einem Bart aus. Und er spürte die Müdigkeit, schwere

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