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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gewarnt! »Ich mag nicht, wenn man mit dem Finger auf mich zeigt.«
    »Das versteh ich.«
    Scheiße, was verstehst du denn? »Ach ja? Ich dachte, du bist Beamter. Also laber mich nicht an. Wenn du dich an mich ranschmeißen willst, vergiss es! Danke für die Cola.«
    »Ich bin der staatliche Kinderretter.«
    Ich habs gewusst, dachte Lucy, schniefte und zog mit den Schuhen den Stuhl näher zu sich her, ein Psychopath! Genauso einer wie der irre Taxifahrer. Staatlicher Kinderretter! Ich muss hier weg, ich krieg eine Scheißstimmung. »Du kannst mich mal!«, sagte sie und wandte sich ab. Auf der Straße hielten eine Tram und ein blauer Linienbus gleichzeitig an. Leute stiegen ein und aus, alle sahen beschäftigt und gesund aus und jeder hatte ein Ziel und Lucy verachtete sie deswegen.
    »Ich bin gleich wieder da.« Süden stand auf, sah sie an und verschwand im Café.
    Mit einem Ruck setzte sie sich aufrecht hin und öffnete hastig den Reißverschluss ihrer Jacke. Sie trug ein schwarzes T-Shirt mit den Gesichtern einer Rockband, deren Name in roten Lettern darauf gedruckt war: METALLICA. Sie schwitzte. Schon die ganze Zeit, schon seit der Typ sie gepackt und umgerissen hatte. Es war viel zu heiß für so eine Jacke, aber sie hatte keine andere und sie wollte keine andere. Und sie wollte sie auch nicht aufmachen. Und schon gar nicht ausziehen. Sie hasste es, wenn sie im T-Shirt dasaß. Das war das Schlimmste, alle glotzten sie dann an, besonders die Jungs und die Typen, und das war widerlich. Ihre Freundinnen sahen ganz normal aus, nur sie nicht, nur ich hab diese verdammten Riesentitten und die werden immer größer, verdammt, das seh ich, ich sehs genau, die sind schon wieder gewachsen, ich hasse mich! Angewidert von sich selbst zog sie den Reißverschluss hoch, verschränkte die Arme, ruckte auf dem Stuhl hin und her, blickte zur Tür, zur Straße, zu den zwei Damen, die immer noch miteinander tuschelten, und wippte zappelig mit den Beinen. Nachdem er auf der Toilette gewesen war, lieh sich Süden vom Wirt eine Mark fürs Telefon, das neben der Toilettentür hing.
    »Ich hab schon wieder ein Kind gerettet«, sagte er.
    »Wo?«, fragte die Frau am anderen Ende.
    »In der Ainmillerstraße. Ein Taxifahrer wollte sie überfahren.«
    »Was?«
    Er gab ihr die Autonummer durch. »Bestell ihn ins Büro, ich bin in einer halben Stunde zurück.«
    »Wir warten schon auf dich. Thon hat eine neue Spur, was den Freund der Hoteliersfrau angeht. Was ist denn mit dem Kind, ist es verletzt?«
    »Nein.«
    »Warum hat der Taxifahrer das getan?«
    »Das weiß ich nicht. Er wollte sie totfahren.«
    »Wer ist das Mädchen?«
    »Lucy Arano.«
    »Die Räuberbraut? Du hast Lucy Arano das Leben gerettet?«
    »Hätt ich das nicht tun sollen?«
    »Natürlich, ist doch dein Job, Kinder zu retten. Wo ist sie jetzt?«
    »Wir sind in einem Café, sie sitzt draußen.«
    »Pass auf, dass sie dich nicht beklaut.«
    »Ja, Sonja.«
    Er hängte ein. Sonja Feyerabend hatte denselben Dienstgrad wie er im Dezernat 11 der Münchner Kriminalpolizei. Beide waren Hauptkommissare auf der Vermisstenstelle und wie Liebende befreundet. Sie war es gewesen, die ihn vor einiger Zeit aus seiner selbst gewählten Isolation befreit hatte, in die er sich nach einem katastrophalen Misserfolg bei einer Fahndung geflüchtet hatte. Sonja hatte ihn ermutigt, wieder zu arbeiten, und so war es ihm gelungen, einem vermissten Jungen, der vorhatte sich umzubringen, das Leben zu retten. Als er an den Tisch zurückkam, war Lucy verschwunden. Von den übrigen Gästen reagierte keiner auf seine suchenden Blicke. Seine Reaktion zu beobachten schien für alle die Spannung des Tages zu sein. Er setzte sich und trank sein Mineralwasser aus. Räuberbraut! Was für eine romantische Bezeichnung für ein Mädchen, das viele in dieser Stadt – Leserbriefschreiber, Journalisten, Politiker, auch Polizisten – für gemeingefährlich hielten.
    Er sah den weißen Stuhl, auf dem sie gesessen, und den, auf den sie frech ihre Füße gelegt hatte, und er dachte an den Moment, als er aus dem Haus getreten war und das heranrasende Taxi sah und das Mädchen mitten auf der Fahrbahn. In dieser Sekunde hatte er sie noch nicht erkannt und das spielte auch keine Rolle. Vielleicht hätte er sie nicht einmal später erkannt, wenn sie ihm nicht ihren Namen gesagt hätte. Lucy. Immer wieder war dieser Name in den Zeitungen aufgetaucht. Süden erinnerte sich an Gespräche auf den Fluren des Dezernats, Kollegen

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