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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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und Feyerabend nahmen alle verfügbaren Polizisten am Telefon ununterbrochen Meldungen von Anrufern entgegen, die die verschwundene Hoteldirektorin Katharina Wagner gesehen haben wollten. Vor drei Tagen war die Juniorchefin des renommierten Felts Hotel Wagner im Lehel morgens nicht aufgetaucht. Und nur vierzig Minuten später rief ein Reporter bei der Kripo an und fragte, ob schon Fahndungsergebnisse vorlägen. Bis dahin war noch nicht einmal nach der Frau gesucht worden, niemand hatte sie als vermisst gemeldet. Das geschah erst dreißig Minuten später, als eine Frau namens Ilona Leblanc im Dezernat 11 auftauchte und erklärte, sie sei sich sicher, dass ihrer Freundin und Chefin etwas zugestoßen sei. Ilona arbeitete im Hotel Wagner an der Rezeption.
    Für die Boulevardpresse bekamen die dubiosen Vorgänge um Katharina Wagner einen zusätzlichen Reiz dadurch, dass deren Schwester Susan in drei Wochen den Sohn eines der reichsten Gastronomen Münchens heiraten wollte, ein Ereignis, das in den Klatschspalten schon jetzt als Hochzeit des Jahres galt. Bankett und Party für vierhundert streng ausgewählte Gäste sollten im Felts Hotel Wagner stattfinden. Wie es hieß, hatte der Bräutigam Alexander Hölzl das Menü persönlich zusammengestellt und bereits tausend Flaschen Champagner geordert. Angeblich hatte der Neunundzwanzigjährige, was er bei jeder Gelegenheit heftig bestritt, früher einmal eine kurze Affäre mit Katharina, bevor er sich für Susan entschied.
    »Sie wird ein Escada-Kleid tragen und er einen Anzug von Otto Kern«, sagte Sonja Feyerabend, die mit Volker Thon und Paul Weber an der Tür zum Flur stand.
    »Wieso von Otto Kern?«, fragte Thon.
    »Weil das ein Freund der Familie ist.«
    »Sie ist acht Jahre älter als er«, sagte Weber, dem es völlig egal war, was dieses Brautpaar anzog oder trank oder aß, oder mit wem sie alle ein Verhältnis gehabt hatten. Es ärgerte ihn bloß, dass er bei diesem Fall, wo immer er anrief oder hinkam, auf einen Journalisten stieß, der ihm erst einmal erklärte, was im Hause Wagner eigentlich gespielt wurde. Überhaupt hatte Weber im Gegensatz zu Sonja Feyerabend und Volker Thon ein gebrochenes Verhältnis zur Schickimickigesellschaft dieser Stadt, zu jener Schicht von Leuten, die ständig in den einschlägigen Kolumnen auftauchten und vorgaben, täglich in der Maximilianstraße und Theatinerstraße einzukaufen. Er war nicht neidisch auf sie, er fand sie nur lästig. Mit seiner bulligen Figur, seinem gelockten Haar und seinem breiten Gesicht ohne Konturen, in seinen immer gleichen rotweiß oder blauweiß karierten Hemden und den speckigen Kniebundhosen sah Weber aus wie der klassische Bayer vom Dorf, der sich in die Stadt verirrt hatte. Dabei sprach er keinen ausgeprägten Dialekt. Wenn er über die Maximilianstraße spazierte, drehten sich die schicken Menschen nach ihm um und die asiatischen Touristen fragten ihn, ob sie ihn fotografieren dürften, sie hielten ihn für ein Original. War er eins? Er wusste es nicht, es war ihm egal. Seine neue Freundin, Evelin, die aus der Lüneburger Heide stammte, meinte, er sei ein echter, gestandener Bayer, so wie sie sich immer einen gewünscht habe. Und das genügte ihm: gewünscht zu sein. Paul Weber war neunundfünfzig Jahre alt, er mochte seinen Beruf, doch in letzter Zeit war er oft müde. Und Fälle, bei denen er es mit Leuten zu tun bekam, die einen Haufen Geld hatten und in für seine Verhältnisse sensationell eingerichteten Wohnungen lebten, motivierten ihn nicht besonders. Die Langeweile, die sie ausstrahlten, untergrub seinen Optimismus und seine professionelle Neugier, plötzlich hatte er kein Interesse mehr an ihren Leiden. Und wenn ihm dieses Interesse abhanden kam, wozu sollte er dann morgens aufstehen und mutwillig die Umarmung seiner Freundin verlassen?
    »Vielleicht hatte die Schwester die Nase voll von dem Brimborium und dem Champagner und dem Hummer«, brummte er und kratzte seinen vorstehenden Bauch, in dem es auch brummte.
    »Sie hat Geld von einem Sperrkonto abgehoben, das hat mir ihr Vater verraten, in der Familie weiß niemand davon«, sagte Volker Thon, der fünfunddreißigjährige Hauptkommissar und Leiter der Vermisstenstelle. Ihm, dem gebürtigen Hamburger, erschien dieses München immer wieder als ein Dorado paradiesischer Frauen. Nicht, dass er hinter ihnen her gewesen wäre, er war verheiratet und hatte zwei Kinder, er liebte seine Familie. Doch die Art, wie die hiesigen Frauen, und auch manche

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