German Angst
hören. Gerke zupfte an seinem Schnurrbart und beendete das Gespräch.
Mit vorgehaltener Pistole schlich Braga in den Flur. Gerke versuchte einen Blick durchs Fenster zu werfen, doch er konnte niemanden erkennen.
Vor der Tür flüsterte jemand. Dann herrschte für einige Sekunden Totenstille. Und im nächsten Moment flog die Tür auf und zwei bewaffnete Polizisten in Uniform stürzten herein. Geduckt drehte sich Braga um die eigene Achse und verschwand hinter der Tür des Schlafzimmers.
»Nicht schießen! Polizei! Kripo München!«, rief Gerke aus der Küche.
In der Tür zum Schlafzimmer tauchte eine Hand mit einem grünen Ausweis auf. »Josef Braga, Oberkommissar, Sonderkommission Natalia.«
Die beiden Uniformierten steckten ihre Pistolen ein. Es waren dieselben Männer, die ihre Münchner Kollegen vom Hubschrauber abgeholt hatten.
»Wir haben eine Meldung bekommen«, sagte Hauptmeister Schön, »Einbruch bei Sadlow. Da sind wir gleich los. Wieso haben Sie uns nicht informiert?« Er war wütend und hatte keine Lust, kollegiale Nettigkeit zu mimen.
»Das wollten wir gerade tun«, sagte Gerke.
»Können Sie uns sagen, seit wann Mike Sadlow verschwunden ist?«, fragte Braga. Er war etwa zwei Köpfe größer als Frey und musste sich ducken, wenn er durch die Tür ging.
»Ist er verschwunden?«, fragte Frey. Wie Schön empfand er die zwei übergeordneten Kollegen als unverschämt und selbstgefällig. Typische Westler, dachte er, und stemmte die Hände in die Hüften.
»Wir nehmen es an«, sagte Braga.
»Davon ist uns nichts bekannt«, sagte Schön. »Was machen wir jetzt mit der Bescherung hier? Wenn ihr uns Bescheid gegeben hättet, wär die Tür jetzt noch heil, das ist eine unangenehme Sache.«
»Warum haben Sie nicht erst geklingelt?«, fragte Gerke.
»Uns wurden Einbrecher gemeldet«, sagte Schön.
»Ihnen wurden zwei Männer gemeldet, die die Wohnung von Mike Sadlow betreten haben«, sagte Gerke.
»Sie haben kein Recht, uns Vorhaltungen zu machen, Kollege.«
»Nein«, sagte Gerke, »entschuldigen Sie! Wir sind alle angespannt, wir ermitteln in dieser Entführung und es gibt Hinweise darauf, dass Mike Sadlow eventuell etwas damit zu tun hat…«
»Unmöglich«, unterbrach ihn Frey. »Ich kenn den Mike noch von den Pionieren, das ist ein anständiger Kerl, für den verbürg ich mich.«
»Hat er eine Freundin?«, fragte Braga.
»Was ist mit der Karin?«, fragte Schön. Frey zuckte mit den Achseln. Von diesen zwei arroganten Westlern würde er seinen Schulfreund nicht in den Schmutz ziehen lassen, das war klar.
»Wir würden gern mit dieser Karin sprechen«, sagte Gerke, »und wir möchten, dass Sie uns begleiten. Vielleicht stellt sich alles als Irrtum heraus, aber wir würden gern Gewissheit haben, bevor die Presse davon erfährt.«
»Tatsache ist, Sie sind ohne Genehmigung in eine fremde Wohnung eingedrungen«, sagte Frey.
»Sie auch«, sagte Gerke und lächelte. »Die Kosten für das neue Schloss können Sie unter den akuten Einsatzausgaben verbuchen, das ist kein Problem.«
»Danke für den Hinweis«, sagte Frey, drehte sich um und betrachtete stumm die Reichsflagge.
In einem Drogeriemarkt am anderen Ende der Stadt, nicht weit entfernt vom Neiße-Ufer, arbeitete Karin Aust als Verkäuferin. Nachdem die vier Männer das Geschäft betreten hatten, hörten sämtliche Kundinnen auf, in den Regalen zu suchen, und sahen neugierig zu den Polizisten.
»Wir sind nicht mehr zusammen«, sagte Karin. Sie war Mitte zwanzig und hatte ihre blonden Haare zu einem Büschel zusammengebunden, das schräg auf ihrem Kopf thronte.
»Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«, fragte Gerke.
»Weiß nicht. Ist was passiert?«
»Ich hab ein Foto von Ihnen in seinem Wohnzimmer gesehen«, sagte Gerke. »Er hat es eingerahmt und eine Rose davor gestellt.«
»Ehrlich?«
»Die Rose sieht ziemlich frisch aus, offensichtlich mag er Sie immer noch sehr, Frau Aust.«
»Ja«, sagte sie und blickte unsicher zu Frey. »Wir sind ja eigentlich auch nicht richtig auseinander, er hat nie Zeit… er arbeitet viel und ist viel unterwegs…«
»Wir müssen dringend mit ihm sprechen«, sagte Braga.
»Wo könnte er denn sein?«
»Das mit der Rose ist ja toll«, sagte Karin. Das fand Braga auch. Manchmal fielen seinem Kollegen ganz schön linke Lügen ein!
»Ist er vielleicht nach Polen gefahren, geschäftlich?« Gerke nickte den Kundinnen zu, die unmerklich näher kamen, um das Gespräch besser verstehen zu können.
»Nein«,
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