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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Sie ist, Sie stehen jetzt im Licht. Das wollten wir vermeiden, nicht wahr?«
    Das Einzige, was Scholze herausbrachte, war:
    »Hundedreck!«
    »Der Kamerad sagt, das Phantombild ist nicht besonders gut, wie solche Bilder eben sind. Er hat mich sofort angerufen, vor einer Minute, dieser Mann ist zuverlässig, auf den kann man bauen. Also vielleicht kommt man nicht sofort auf Sie, nicht sofort, verstehen Sie das? Wenn das Bild morgen in der Zeitung ist, sind Sie geliefert. Und wissen Sie, was der Kamerad noch berichtet hat? Er hat gesagt, Sie sind beobachtet worden, wie Sie in Ihr Taxi gestiegen sind. Sie sind mit dem Taxi zum Flohmarkt gefahren! Sie sind dümmer als Hundescheiße. Halten Sie sich zur Verfügung! Ich muss jetzt mit dem Doktor sprechen und mich mit ihm beraten, dann meld ich mich wieder. Bleiben Sie bloß zu Hause, Mann!«
    Er wählte die Nummer von Dr. Ewald Voss. Schon wieder musste er seine Pläne über den Haufen werfen und das machte ihn wütend. Das macht mich mehr als wütend, so was macht mich zur Bestie! Voss meldete sich und Rossi unterbreitete ihm seinen Vorschlag.
    Sie plauderten eine Weile und am Ende sagte Voss:
    »Dann alles Gute!« Rossi atmete durch.

16   17. August, 12.22 Uhr
    W enn sie die Luft anhielt, würde sie vielleicht sterben und alle Menschen von oben sehen. So hatte sie sich als kleines Mädchen das Totsein vorgestellt, und das Totsein war immer auch eine Art des Wachseins, eine besondere Art von Dasein, das niemandem sonst zuteil wurde, schon gar nicht ihrem Vater oder ihrer Mutter. Die waren beide viel zu sehr mit sich beschäftigt, als dass sie begriffen hätten, was mit ihrer Tochter los war, was für eine außergewöhnliche Fähigkeit sie besaß: Sie war zwar tot, aber immer noch in der Lage zu schauen und sich zu bewegen. Und sie würde sich viel bewegen, dauernd von einem Ort zum anderen reisen, auf Bäumen sitzen, auf hohen Häusern, auf den Freiluftterrassen der teuren Hotels, und sie würde unsichtbar sein und es gäbe nur einen Menschen, der sie erkannte und nicht erschrak, weil sie ein so seltsames Wesen geworden war. Für Netty Horn begann das glückliche Leben erst dann, wenn sie die Augen schloss und sich so tief in sich versenkte, dass sie auf einmal, wie durch eine Tür, den finsteren Keller ihrer Einbildung verließ und davonschwebte, höher und höher, bis zu einem bestimmten Punkt, von dem aus sie dann aufbrach zu ihren unzerstörbaren Reisen. Und genau an diesem Punkt war sie jetzt wieder, jetzt in dieser Hütte, in der es nach Holz und Blüten roch, nach schwerer Erde. Und auf einmal war sie nicht gefesselt und von Schmerzen gepeinigt, sondern lag weit über allem wie in einem Tretboot und wenn sie die Beine bewegte, auf und ab, und mit den Füßen wippte, glitt sie in leichter Luft dahin und niemand bemerkte sie. Sie war froh, hier oben zu sein. In den vergangenen Stunden hatte sie ein Schweißausbruch nach dem anderen überwältigt, einmal war ihr heiß, dann wieder kalt gewesen, dann hatte sie gefroren und gezittert und wenig später hatte sie keine Luft bekommen vor Hitze und geglaubt, sie würde verglühen, wenn jemand nicht sofort ein Fenster öffnete oder die Tür. Der Mann hatte ihr die Handgelenke zusammengebunden und ihr das Taschentuch in den Mund gesteckt und es mit einem Klebeband befestigt. Er hatte sie angelächelt. Nie mehr, das wusste sie jetzt, nie mehr würde sie einen Menschen lächeln sehen wollen. Von nun an würde jedes Lächeln für sie ein Zeichen von Lüge und Gleichgültigkeit sein, und nicht einmal Chris würde sie anlächeln dürfen, auch wenn er es noch so ehrlich meinte, und er meinte es immer ehrlich mit ihr. Das Lächeln im Gesicht dieses Mannes, der ständig schnaubte und sich mit dem Finger an die Nasenwand klopfte, beleidigte ihr eigenes Lächeln, das ihre Kunden so schätzten. Ich werde nie mehr jemanden anlächeln, dachte sie, und eine gnädige Müdigkeit überkam sie und ließ sie langsam davontreiben, so lange, bis sie wieder acht Jahre alt war und von der Krone einer sich fortbewegenden Linde aus die Erde betrachtete, wo die Menschen ahnungslos ihrer Wege gingen. Und niemand legte den Kopf in den Nacken und kam ihr auf die Schliche. Seit jeher war dies ihr größter Wunsch gewesen: unsichtbar zu sein und dahinzutreiben, stundenlang, tagelang, ein Leben lang. Und nur wer es verdiente, dem würde sie sich zeigen, dem würde sie ihre Anwesenheit leihen für einige Zeit, und wenn es ihr zu viel wurde, zu viel des

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