German Angst
den Freya schon angedeutet hat: Die Entführer erreichen wir damit nicht. Und jemand anderen müssen wir damit nicht erreichen.«
»Ich bin nicht deiner Meinung«, sagte Funkel.
»Nicht das erste Mal bei diesem Fall«, sagte Thon. »Was ist mit der Liste vom VS?«
Auf der Liste, die sie zusammengestellt hatten, standen die Namen von acht Kollegen, von denen sie wussten oder es für möglich hielten, dass sie politisch eher dem rechten Spektrum angehörten. Nach Informationen eines Mitarbeiters des Verfassungsschutzes war keiner dieser Polizisten Mitglied in einer Partei; allerdings hatte man Funkel eine aktualisierte Liste versprochen, auf die er seit einer Stunde wartete.
»Das Fax ist gerade gekommen«, sagte Veronika Bautz, als er sie danach fragte. Sie gab ihm das Blatt und er ging zurück in sein Büro. In dem inoffiziellen Schreiben standen Namen von Leuten, die erst in jüngster Zeit in eine der rechten Parteien eingetreten waren. Keiner der Namen stimmte mit denen auf Funkels Liste überein. Ein Mann jedoch, dessen Name auf dieser Liste fehlte, der aber im Dezernat 11 arbeitete und sogar Mitglied der Sonderkommission war, wurde im VS-Bericht ebenfalls erwähnt: Florian Nolte.
»Gibts doch gar nicht!«, sagte Freya.
»Wo ist er?«, fragte Thon.
»Mit dem Kollegen Krust draußen, um Taxifahrern das Phantombild zu zeigen. Sie werden bald zurück sein«, sagte Funkel und spürte plötzlich ein Stechen im Bauch. Hastig suchte er nach seiner Pfeife, die er wieder einmal versteckt hatte. Er fand sie sofort. »Das muss nichts bedeuten«, sagte er, als würde der Satz ihn beruhigen.
»Wieso sollte Florian so was tun?«, sagte Weber und rieb mit der rechten Hand mehrmals seinen linken Unterarm. Wie immer hatte er die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt und die Hosenträger spannten über seinem wuchtigen Bauch.
»So was macht der auch nicht«, sagte Freya. Funkel sah sie an. Ja, sie hat Recht, dachte er, während er die Pfeife anzündete, so was macht der nicht, so was macht niemand im Dezernat. Und doch ist es passiert, und doch hat ein Kollege Dienstgeheimnisse verraten. Aber nicht der junge Nolte, der doch nicht, unser größter Basketballfan, steht auf Michael Jordan, hat sogar eine Biografie von dem gelesen! Florian Nolte, ein engagierter leidenschaftlicher Polizist, Oberkommissar, Anfang dreißig, hat nicht mehr lang hin bis zum Hauptkommissar. Der verrät doch keine Dienstgeheimnisse!
Funkel sog an der Pfeife und bereitete in Gedanken die erste Frage vor, die er Nolte stellen würde. An alles Weitere weigerte er sich zu denken.
Sie kam hinter ihm her, eine der Zeitungen, die sie vom Küchentisch genommen hatte, in der Hand.
»Wir haben einen schweren Fehler gemacht«, sagte Senta Scholze. »Wir hätten das nie tun dürfen. Rossi hat uns da reingezogen, er hat uns das eingeredet, er ist an allem schuld.«
»Halt die Klappe!«, sagte Scholze und nahm aus einer Schublade eine schwarze Tasche. »Du machst, was ich dir gesagt hab. Du packst die Schreibmaschine ein und den Rest Papier und fährst zum Starnberger See und versenkst das Zeug, kapiert? In der Tasche! Leg noch ein paar Steine rein und stell dich nicht an!«
»Ich hab Angst«, sagte sie.
»Das interessiert mich nicht! Du kannst ja zur Polizei gehen und uns alle anzeigen.«
»Vielleicht mach ich das«, sagte sie und drückte die zusammengeknüllte Zeitung an sich.
Scholze drehte sich zu ihr um. Vor seinem Blick wich sie zurück. Wenn er sie so ansah, war er unberechenbar. Sie wollte etwas sagen, aber dann beschloss sie, den Mund zu halten. Reden reizte ihn oft. Sie suchte nach etwas Nettem, etwas, das ihn ablenkte und besänftigte.
»Hast du Lust auf Rouladen heut Abend?«, fragte sie dann. Sie machte sie mit Speck und Gurken und er aß immer zweieinhalb Stück. Die Hälfte der dritten Roulade aß sie auf, sie aß immer eineinhalb. Dazu gab es Kartoffelknödel.
»Ja, aber mach die Knödel nicht wieder so hart!«, sagte er. Es klingelte.
»Ist der Postbote endlich aufgestanden!«, sagte Scholze und ging zur Tür.
Taxifahrer auf der Nordseite befragt. Niemand kannte den Mann auf dem Phantombild. Es standen nicht viele Wagen da und die beiden Kommissare hatten genug Zeit, mit den Fahrern zu reden. Die meisten von ihnen sagten, sie fänden es gut, wenn der Schwarze mit seiner Tochter zurück in seine Heimat ging, das wäre besser fürs Klima.
Auf der Ostseite des Bahnhofs gegenüber dem Hertie-Kaufhaus wartete nur ein einziger Fahrer auf
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