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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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festzuhalten. Steif stand sie neben ihm, durch die Bluse spürte sie den Druck seiner Finger und wusste nicht, was sie tun sollte. Was er ihr erzählt hatte, verwirrte sie. Und die Musik, deren stampfende Bässe auch durch das geschlossene Fenster zu hören waren, verstärkte ihr wachsendes Unbehagen. Wenn es stimmte, was Jens gesagt hatte, dann war er in ihren Augen ein erbärmlicher Feigling, ein Schlappschwanz, der vor Arschlöchern den Schwanz einzog.
    Wenn sie das ihrem Chef, Rechtsanwalt Sternberg, erzählte, würde er sie auslachen. Immer wieder kamen Leute in die Kanzlei und behaupteten, sie hätten in einer Kneipe üble Parolen gehört, Beschimpfungen von Ausländern und rechtsradikale Sprüche. Geduldig erklärte Sternberg dann, das Recht der freien Meinungsäußerung bestehe auch bei Trunkenheit weiter. Er war ein pragmatischer Mann, ihr Chef, und sie mochte seine entspannte Art, mit aufgeregten Klienten umzugehen und sie auf den Boden der Realität zurückzuholen. Vielleicht sollte sie ihm die Geschichte ihres Freundes erzählen, vielleicht würde er Jens vorschlagen, ihn zu vertreten unter der Bedingung, Jens verzichte auf seine aberwitzige Aussage.
    »Die wollen, dass ich Nuriye rausschmeiß«, sagte Zischler und hustete. Er wischte sich mit dem Ärmel der Trainingsjacke, die er übergezogen hatte, den Mund ab.
    »Das ist die Wahrheit, Ellen, ich kann mich an jedes Wort erinnern…«
    »Hör doch auf!«, sagte sie, nahm seine Hand von ihrer Schulter und ging zum Tisch. Er schwankte und stakste dann zum Fenster.
    »Du musst mir glauben«, sagte er, ohne sich umzudrehen, »sonst glaub ich mir selber nicht.«
    Ellen stellte die Tassen ineinander und trug das Geschirr in die Küche. Mehr und mehr schlug ihr Mitgefühl um in eine Art von Trotz. Diesmal wollte sie sich nicht einwickeln lassen von einer seiner abstrusen Ideen, die er manchmal ausbrütete und mit denen er ihr tagelang in den Ohren lag. Bis sie nachgab und mitmachte. So hatte sie auf sein Drängen hin an einer Miss-Wahl in einem Bierzelt in Grünwald teilgenommen – und den zweiten Platz belegt. Schon als Mädchen hatte sie solche Wettbewerbe verabscheut, ihre Freundinnen, die sich dafür hergaben, nannte sie Nutten und sie wollte nie wieder etwas mit ihnen zu tun haben. Und mit achtundzwanzig stand sie dann selber auf einer Bühne und ließ sich anglotzen und antatschen und unten saß Jens und schrie ihr zu, wie toll sie aussehe und dass sie bestimmt gewinnen werde. Er trank eine Maß nach der anderen und am Ende knutschte er sie betrunken ab und griff ihr vor allen Leuten an den Busen. Am nächsten Morgen entschuldigte er sich, aber verziehen hatte sie ihm bis heute nicht. Oder er behauptete, im Kaufhaus beim Stachus träfen sich Dealer und würden dort unauffällig ihre Geschäfte abwickeln.
    Davon war er wild überzeugt. Zur Polizei ging er jedoch nicht, weil er Angst um seinen Job hatte. Feigling!, dachte Ellen, du bist ein Spinner und Feigling, das ist eine echt üble Kombination. Und nun hatte er sich also etwas völlig Irres ausgedacht!
    »Ich muss noch mal in die Kanzlei, und abends hab ich einen Termin wegen meiner Steuern. Ruf mich an, wenn du was brauchst! Ich finde, du siehst schon viel besser aus, du hast wieder Farbe im Gesicht.« Sie hatte ihr Jackett angezogen und küsste ihn, der immer noch am Fenster lehnte, vorsichtig auf den Mund.
    »Deine Lippen sind kalt«, sagte er.
    »Leg dich hin und ruh dich aus!«, sagte sie. Wie weit entfernt kam ihm das Zuschnappen des Türschlosses vor, er roch Ellens Parfüm, was er für ein gutes Zeichen hielt. Seine Sinne waren also noch nicht abgestorben. Dann fiel ihm ein, dass er Ellen noch etwas fragen wollte, und er öffnete hastig das Fenster. Sie kam gerade aus dem Haus und eilte zu ihrem Golf, den sie auf dem Bürgersteig geparkt hatte.
    »Ellen!« Aus seinem Mund kam nur ein Krächzen. Er räusperte sich, beugte sich vor und holte noch einmal Luft. Ellen stieg bereits in den Wagen und schlug die Tür zu. Sie hatte nicht zu ihm hoch geblickt. Er sah, wie sie wegfuhr, schnell und mit aufheulendem Motor.
    Er hatte sie fragen wollen, ob Dr. Sternberg eventuell seinen Fall übernehmen könnte. Sie schwärmte von ihrem Chef, sie hielt ihn für einen Experten, für einen klugen und gerissenen Anwalt, dem niemand etwas vormachte. Seine Mandanten vertrauten ihm und seine Gegner fürchteten ihn, sagte Ellen und sie musste es wissen, sie arbeitete seit vier Jahren bei ihm.
    Wieso war sie so

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