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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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musste wissen, wieso, er allein kannte die Wahrheit.
    »Herr Zischler«, sagte Siebert und beugte sich vor.
    »Dieser Überfall ergibt keinen Sinn nach allem, was Sie uns sagen. Hören Sie mir zu? Wenn die beiden nur Schlägern wollten, dann hätten sie sich irgendjemanden gegriffen, auf dem Stachus laufen genügend Leute herum. Das wollten die aber nicht. Die wollten Sie, Herr Zischler, Sie sind deren gezieltes Opfer gewesen, also bitte sagen Sie uns, was Sie wissen!«
    »Ich hab alles gesagt.« Er schloss die Augen, ließ die Arme sinken und kippte zur Seite. Die beiden Polizisten und Ellen beugten sich über ihn. Sein Kopf lag auf der Lehne und aus seinem Mund drang ein leises Pfeifen. Zischler war eingeschlafen.
    »Wir kommen morgen früh noch einmal vorbei«, sagte Ring an der Tür. »Das Protokoll ist nicht vollständig, außerdem muss er es unterschreiben.«
    Ellen verabschiedete die Polizisten und blieb dann vor der Couch stehen.
    Zischler schlug die Augen auf.
    »Ich kenn dich«, sagte sie. »Ich hab gewusst, dass du simulierst.«
    Sie setzte sich neben ihn, und er legte den Kopf in ihren Schoß. Sie gab ihm einen Kuss auf die Nase und strich seine Haare nach hinten.
    »Hast du Schmerzen?«
    »Nein«, sagte er. Dann sah er sie ernst und traurig an, holte Luft, zögerte, drehte den Kopf weg und betrachtete seine rechte Hand mit den zwei Pflastern darauf. »Die zweite Person war eine Frau. Sie hatte einen langen Mantel an, aber ich bin mir ziemlich sicher. Beweisen kann ichs nicht.« Er räusperte sich, wischte sich über den Mund, berührte dabei den Verband und die Wunde tat weh. »Der Mann hat… er hat mich gefragt, warum ich… warum ich Nuriye beschäftige, das ist die Türkin, die…«
    »Ich weiß«, sagte Ellen. Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte, dass ihr Freund auf einmal anfing, sich haarklein an den Überfall zu erinnern. Jetzt schaute er zu ihr hinauf und sie erwiderte irritiert seinen Blick.
    »Und dann…« Zwischen den Sätzen machte er lange Pausen, um Luft zu holen. Oder um Mut zu sammeln für die Bilder, die zurückkehrten. »Dann… befahl er mir, sie zu entlassen, sie rauszuschmeißen. Und… und er wollte dauernd wissen, wieso… ich sie nicht schon längst… schon längst rausgeschmissen hab, die Nuriye… Warum? Warum? sagte er und… und… seine Knie…«
    »Schsch…«, machte Ellen und strich ihm wieder über die Stirn.
    Dann schwiegen sie beide. Vor dem offenen Fenster sangen Vögel und Kinder schrien und Autos fuhren vorüber. Der warme Wind bewegte die weiße, bodenlange Gardine.
    »Warum hast du das alles nicht der Polizei gesagt?«, fragte Ellen.
    Mühevoll hob Zischler den Kopf.
    »Das glaubt mir doch niemand«, sagte er leise und sah ihr wie gebannt in die Augen. »So was ist doch gar nicht möglich. Wir sind doch keine Nazi-Stadt!« Sekundenlang saß er reglos da, den Blick starr auf sie gerichtet, als erwarte er von ihr eine allumfassende Erklärung. Dann drehte er sich zur Seite und spürte wieder dieses Brennen im Gesicht, seine glühende Haut.
    »Ich versteh dich nicht«, sagte Ellen, nahm die Kaffeetasse in die Hand, schwenkte sie, schwieg, grübelte und betrachtete das schwarze Getränk wie etwas Exotisches. Sie trank einen kleinen Schluck und stellte die Tasse wieder hin, der Kaffee war kalt geworden.
    Von der Straße dröhnte wummernde Musik herauf, vermutlich aus einem Auto. Ellen stand auf und ging zum Fenster. Ein gelber Porsche parkte in einer Einfahrt, die Fahrertür war offen und der Wagen bewegte sich hin und her. Zwei junge Männer saßen drin und schaukelten wie wild zu den Techno-Beats, die Ellen im Ohr wehtaten. Monotone stumpfe Musik machte sie aggressiv. Einen Moment lang überlegte sie runterzubrüllen, dass sie den Scheißkrach sofort abdrehen sollen. Aber dann sog sie die warme Luft ein, atmete ein paar Mal tief ein und aus und schloss das Fenster. Als sie sich umdrehte, stand Zischler vor ihr.
    Sein Anblick rührte sie, er blinzelte nervös und bemühte sich zu lächeln. Es gelang ihm nicht. Ein wenig bewegten sich seine Lippen, bevor sie wieder erstarrten, so wie sein ganzer Körper erstarrt, verknotet, leblos wirkte.
    »Du sollst liegen bleiben, hat der Arzt gesagt.« Seltsamerweise hatte Ellen jetzt eine Scheu, ihn zu berühren. Sie hatte keine Erklärung dafür, instinktiv hatte sie einen Schritt auf ihn zugemacht und war dann stehen geblieben. Beinah wäre sie ihm ausgewichen, als er nach ihrer Schulter griff, um sich

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