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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Geburtstagsfeier, zu der sie eingeladen war. Und sie war zu fast jeder Geburtstagsfeier in unserm Dorf eingeladen, sie war nämlich die beste Köchin. Wenn sie Nsala machte, standen die Leute Schlange, Kinder und Erwachsene, hab ich selbst gesehen, denn ich bin auch Schlange gestanden, obwohl ich ein Verwandter war. Meine Großmutter Sola hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, niemand sollte bevorzugt werden. Allerdings gab sie meinem Großvater immer als Erstes einen Teller, weil er den weiten Weg bis zur Kautschukplantage auf Onnanbita, dem Esel, reiten musste, der jeden Kilometer stehen blieb und erst weitertrabte, wenn mein Großvater ihm ein Stück rohe Zwiebel gab. Wahrscheinlich war Onnanbita der einzige Esel Afrikas, der rohe Zwiebeln fraß, wahrscheinlich der einzige auf der ganzen Welt. Daher hatte er auch seinen Namen, den ihm mein Großvater gegeben hatte: Onnanbita heißt Zwiebelfresser.«
    »Was hat deine Oma an ihrem vierzehnten Geburtstag erlebt?«, fragte Natalia. Sie stützte den Kopf in die Hand und spürte den Wein. Sie trank selten Alkohol, im Gegensatz zu Chris, der ohne Bier nicht leben konnte. Ausnahmen machte er nur an Festtagen, so wie heute. Allerdings hatte er das Glas nach dem ersten Schluck nicht mehr angerührt.
    »Etwas Unvergessliches.« Arano lächelte. Wenn er das tat, und so hell und anmutig wie jetzt, dann sonnte sich Natalia in seiner Anwesenheit.
    »Sola saß bei ihrer Mutter in der Küche und wartete darauf, dass die Pfannkuchen endlich fertig wurden. Dazu gab es Kochbananen, die man in der Pfanne brät. Sie war so ungeduldig, so hat sie mir erzählt, dass sie die Bohnen, die in den Pfannkuchen kommen sollten, aus lauter Gier roh aß. Sie stand also ihrer Mutter im Weg und konnte es kaum erwarten zu essen, als ein junger Mann, den sie noch nie gesehen hatte, in die Hütte kam. Er hatte ein weißes Hemd an und einen Tropenhelm auf. Er war sehr dünn und hatte eine braune Haut, keine schwarze wie wir Nigerianer. Auf dem Rücken trug er einen Korb, in dem etwas lag, das man nicht sehen konnte, weil es mit einem Tuch zugedeckt war. Er grüßte auf Englisch, aber nicht in dem Pidginenglisch, das bei uns gesprochen wird, sondern anders. Das ist amerikanisches Pidgin gewesen, sagte meine Großmutter später, der Mann kam aus Amerika und er reiste durch die Dörfer und brachte etwas mit, das es bis dahin bei uns nicht gegeben hat, nicht in der Form zumindest. Der Mann brachte Brot zu uns.«
    »Brot?«
    »Ja, Brot. Stell dir das vor! Es war das Jahr 1920, glaub ich, aber wir hatten keine Bäckereien in Nigeria, wir aßen Hirse, Reis und Mais, alles, was bei uns wuchs, aber wir machten kein Brot. In seinem Korb waren Weißbrotfladen und die Leute im Dorf bestaunten sie wie ein Wunder. Der Mann arbeitete bei der Eisenbahngesellschaft und er und seine Kollegen hatten das Rezept aus Amerika mitgebracht, aus Brasilien. Der Mann war nämlich Brasilianer.«
    »Und wie kam der nach Nigeria und zu euch ins Dorf?« Natalia glaubte die Geschichte nicht so recht, Hauptsache war aber, Christoph hörte nicht damit auf.
    »Er war ein ehemaliger Sklave. Man hatte ihn in die Freiheit entlassen und zusammen mit anderen ehemaligen Sklaven ging er nach Afrika, um dort Arbeit zu finden. Er sprach Portugiesisch und Englisch und beides zusammen ergab nach Meinung meiner Großmutter ein amerikanisches Pidgin. Für sie war das Brot so etwas wie eine Offenbarung, sie hielt es für ein Geschenk Gottes. Schon als Mädchen hatte sie sich missionieren lassen, wahrscheinlich war sie ein wenig in diesen englischen Missionar verliebt gewesen, der damals bei uns das Wort Gottes predigte. Deswegen bin ich ja auch katholisch, meine Großmutter war die Erste in unserer Familie, die diesen Glauben annahm. Als der Mann aus Brasilien erfuhr, dass Sola Geburtstag hatte, schenkte er ihr einen Fladen Weißbrot und sie rannte damit sofort zum Pfarrer, um ihn segnen zu lassen. Es war ein großer Tag für sie. Sie ging durchs Dorf und hob das Brot wie einen Schild hoch, sie wollte, dass jeder es sah und sie bewunderte. Sie küsste es, wie der Pfarrer es wahrscheinlich getan hatte, und erst am Abend, nachdem ihre Mutter schon ziemlich wütend war, weil Sola keinen Bissen von dem köstlichen Pfannkuchen probierte, den sie extra mühevoll gebacken hatte, kehrte Sola in die Hütte zurück. Sie teilte den Fladen, gab ihrer Mutter und ihrem Vater ein Stück, der gerade von der Plantage zurückgekommen war und sich über den

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