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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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wenn du nüchtern über die Sache nachdenkst, wirst du feststellen, dass es keine andere Variante gibt. Außerdem ist sie ja nicht die einzige in diesem Land, die schon mit vierzehn agiert wie ein erwachsener Krimineller. Es ist nicht meine Aufgabe zu klären, wieso es so weit gekommen ist, obwohl mich das interessiert und beschäftigt, wie du weißt. Aber ich bin nicht da, um Ursachen zu beseitigen, ich bin Ankläger, und ich klage auch deine Mandantin an, ein gefährliches, unberechenbares, unbelehrbares Kind.«
    »Du versuchst, eine Grauzone auszunutzen, das nehm ich dir nicht übel«, sagte Fischer und nahm seinen Schläger in die Hand. »Was ich dir vorwerfe, ist, dass du seit einer Woche nicht die geringste Anstrengung unternimmst, die Beweggründe dieses Mädchens kennen zu lernen, ihre Zerrissenheit, ihre Ängste. Du tust so, als würde dieses Mädchen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden und das Allgemeinwohl bedrohen. Du behandelst sie wie eine Terroristin, du stellst einen Antrag auf Haftverschärfung…«
    »Sie hat einen Wachmann angegriffen und ihm heißen Tee ins Gesicht geschüttet.« Mit einer heftigen Bewegung erhob sich Ronfeld und schüttelte den Kopf.
    »Der Mann hat versucht, sie anzumachen«, sagte Fischer, ging zur Tür und knallte sie zu. »Außerdem war der Tee lauwarm.«
    »Der Wachmann sagt, er habe ihr lediglich eine Jacke um die Schulter gelegt, weil sie gefroren hat. Sie lügt. Sie ist eine ausgekochte Lügnerin. Sie weiß genau, womit sie durchkommt. Aber nicht bei mir!« Ronfeld ging zur Tischtennisplatte, überlegte, auf welcher Seite er dran war, und entschied sich für die Hälfte beim Vorhang.
    »Jetzt sitzt sie in einer Einzelzelle. Bravo! Erst Einzelzelle, dann geschlossenes Heim! Dieses Mädchen ist verstört, Niklas! Wieso begreifst du das nicht? Ihre Mutter starb vor vier Jahren, und die Umstände sind höchst dubios. Es gibt Hinweise darauf, dass sie einem fremdenfeindlichen Anschlag zum Opfer gefallen ist. Es wurde nie geklärt, woher das Feuer in der Wohnung kam. Und Lucy leidet bis heute unter diesem Verlust. Sogar ihre Lehrer, die bei ihr wirklich nichts zu lachen haben, geben zu, dass sie offenbar immer wieder von Depressionen und Schuldgefühlen geplagt wird, so dass sie plötzlich verstummt und mit niemandem mehr redet, dass sie sich nicht ausdrücken kann, dass sie Schmerzen hat…«
    »Deine Mandantin ist eine Gefahr für die Öffentlichkeit und wenn wir nicht konsequent gegen solche Täter, egal wie jung sie sind, vorgehen, dann werden wir eine Situation kriegen, in der sogar die Polizei machtlos ist oder sich schlimmstenfalls einschüchtern lässt, was schon oft genug passiert. Opferschutz muss höher bewertet werden als Täterschutz, mein Lieber. Wie viele Opfer willst du noch riskieren, wenn du das Mädchen auf freiem Fuß lässt, wie viele? Was schätzt du? Wie viele alte Frauen wird sie noch überfallen, wie viele Klassenkameraden wird sie noch niederhauen und misshandeln, wenn sie nicht das tun, was sie von ihnen verlangt? Wenn sie zum Beispiel keine Lust haben, ihr Scheißhandy zu kaufen? Wie viele? Wir müssen sie stoppen und jetzt spielen wir weiter!«
    »Du hast was gegen sie, weil sie die Tochter eines Schwarzen ist.« Auf seiner Seite der Platte befand sich Fischer seinem Freund genau gegenüber, sie standen in einer Linie, beide den kleinen Schläger in der Rechten. Sie sahen sich an.
    »Das ists, was du mir die ganze Zeit sagen wolltest. Deswegen wolltest du unbedingt heute Nachmittag mit mir Tischtennis spielen. Um mir diesen Satz an den Kopf zu werfen.« Ronfeld stützte sich auf der Platte ab und ließ den Ball unter den Fingern kreisen.
    »Nein«, sagte Fischer. »Ich hab gehofft, dass ich hier normal mit dir reden kann. Du hast dich in diesen Fall geworfen, als wolltest du dich als Fürsprecher für all die aufspielen, die in den letzten Monaten Lucy massiv beschimpft und sie vor allem wegen ihrer Hautfarbe verspottet haben. Du kennst die Zeitungsberichte so gut wie ich und die Aussagen von Politikern und Leuten, die glauben, sie hätten was zu sagen in dieser Stadt. So unterschiedlich die auch sind, aus welcher Schicht sie auch kommen, eins haben sie alle gemeinsam: Lucy ist für sie eine kriminelle Negerin, eine schwarze Göre, die einen unfähigen Neger zum Vater hat, und das ist das Kriterium, das ist die Basis für alle Meinungen, für alle Analysen, die scheinbar so objektiv daherkommen, aber in Wahrheit rassistisch und

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