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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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dich! Da gehts doch nicht drum, ob dir gefällt, was in dieser Stadt passiert, in diesem Land, mit diesen Jugendlichen, mit diesen reaktionären Erwachsenen, die diese Kinder am liebsten nach Afrika zurückschicken wollen! Darum gehts nicht, Mann! Hier gehts um den Fall einer vierzehnjährigen Serientäterin, die diese Stadt seit Jahren terrorisiert. Ja, vielleicht ist sie tatsächlich eine Terroristin, vielleicht ist sie nichts anderes als eine Schwarze Armee Fraktion, die nur aus einer Person besteht, die wahllos Gewalt ausübt, die jedes Maß verloren hat. Darum gehts, und wenn du versuchst, aus diesem Fall ein staatsrechtliches Politikum zu machen, dann hast du ausgeschissen, dann hast du verloren. Mir ist das scheißegal, ob dieses Mädchen schwarz, gelb oder weiß ist, das ist mir scheißegal, ich seh, was sie getan hat, und danach rieht ich mich, nach nichts anderem: Raub, Erpressung, Körperverletzung und so weiter. Nichts anderes.«
    »Du lügst dich selber an, Niklas.«
    » Ich hab einen Krieg erlebt, aber so viel Angst um mein Leben hab ich noch nie gehabt. Klingelts? Das hat die alte Frau gesagt und das zählt. Dass die Frau vor diesem hyperkriminellen Mädchen Angst hatte wie nie zuvor in ihrem Leben, das zählt. Und ich schwöre dir, dieser Frau, die da um ihr nacktes Überleben bangte, der war es scheißegal, ob dieses Mädchen eine schwarze oder eine weiße Hautfarbe hatte. Wann kapierst du das endlich?«
    Noch einmal schlug Ronfeld mit der flachen Hand auf die grüne Platte, dann riss er sich das T-Shirt vom Leib und schleuderte es auf den kleinen Tisch.
    Fischer sah hin und der rechteckige Holztisch sah genauso aus wie der, an dem die alte Frau gesessen hatte, in ihrer engen Wohnung, an jenem Abend vor sechs Tagen.
    »Ich hab einen Krieg erlebt, aber so viel Angst um mein Leben hab ich noch nie gehabt«, sagte sie, nachdem sie alles berichtet hatte.
    Ihr Name war Luisa Kren und sie war einundachtzig Jahre alt. Sie hatte weißes, nach hinten gekämmtes Haar und blaue helle Augen, in die jeder, der mit ihr in der winzigen, lichtarmen Küche saß, immer wieder fasziniert schaute. Diese Augen wirkten wie ein barmherziges Leuchten in der Finsternis ihrer Aussage. Mit ihr am Tisch saßen Ronfeld und Fischer. Kriminaloberrat Karl Funkel und Hauptkommissarin Sonja Feyerabend standen an der Tür mit der Milchglasscheibe neben dem schmalen Geschirrschrank, an dem ein Foto von der Silhouette Hongkongs klebte.
    »Weil ich doch jeden Tag auf den Friedhof geh«, sagte Luisa Kren auf die Frage von Niklas Ronfeld, warum sie ausgerechnet diesen bestimmten Weg genommen habe.
    »Mein Mann liegt da, schon elf Jahre jetzt, aber deswegen geh ich eigentlich nicht hin. Ich mein, ich geh schon zu ihm, das ist ja klar…« Einen Moment blieb ihr Mund still, dafür blitzten ihre Augen, vielleicht ein blaues Lächeln, dachte Fischer. »Ich kümmer mich ums Grab und schau, dass immer eine Kerze brennt, und ich pass auf, dass mir niemand die Blumenvase klaut, das kommt dauernd vor, die Leute klauen die Vasen bloß so weg, da kann man nichts machen. Ich hab aber Glück gehabt bisher. Ich kauf auch immer die billigsten Vasen beim Woolworth, Hauptsach, sie halten halbwegs über den Winter. Also jetzt im Sommer bleib ich lang da, ich geh spazieren, deswegen bin ich so gern auf dem Friedhof, man kann da rumlaufen und das stört niemand…«
    Auf dem Tisch, in dessen Mitte auf einem bestickten Deckchen ein Teller mit Trauben stand, lief nahe an der Kante ein kleiner Kassettenrekorder, den Ronfeld mitgebracht hatte. Luisa Kren schob ihn ein Stück zurück und legte ihre Hände nebeneinander auf die Platte, als wolle sie prüfen, ob ihre Fingernägel sauber waren.
    »Manchmal bleib ich bis zum Schluss, bis um halb neun. Dann wird zugesperrt. Ich schau rechtzeitig auf die Uhr, weil ich Angst hab, ich werd eingesperrt, das wär, glaub ich, nicht lustig. Die ganze Nacht auf dem Friedhof, ich erschreck ja nicht leicht, ja, ich erschreck nicht leicht…«
    Jetzt faltete sie die Hände und sie zitterten.
    »Ich war schon draußen aus dem Tor und schau mich so um und denk, ich hab gar keinen Hunger wie sonst, da könnt ich eigentlich noch ein bisschen gehen, es war ja warm, ein lauer Frühlingsabend. Kennen Sie den Weg, der da am Ostfriedhof vorbeiführt, unterhalb von den Gleisen? Da bin ich gegangen. Und auf einmal kam dieses Mädchen auf mich zu. Ich weiß nicht, wo die auf einmal hergekommen ist, ich hätt sie ja sehen müssen, die ist ja

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