German Angst
pervers sind, reaktionärer Verbalgestank. Das ist der gemeinsame Nenner und so soll Lucy jetzt auch verurteilt werden, so hart wie möglich, nicht weil sie etwas Ungesetzliches getan hat, sondern weil sie schwarz ist und etwas Ungesetzliches getan hat. Aber das werde ich nicht zulassen, und du wirst mich nicht daran hindern, das schwör ich dir!«
»Du bist mein Freund, Wastl«, sagte Ronfeld, »du bist ein guter Mensch, ein guter Anwalt, ein guter Verteidiger der Ehre deiner Mandanten. Die Leute mögen dich, sie können sich auf dich verlassen. Vielleicht bist du genau der Richtige für diesen Fall, vielleicht bist du auch der Falsche, ich weiß noch nicht. Du bist befreundet mit der Freundin von Lucys Vater, vielleicht bist du zu emotional dabei. Nicht, dass du sonst, in anderen Fällen, gelassener, zurückhaltender wärst, ich erinnere mich an ein paar heftige Schlachten, die wir ausgetragen haben, aber diesmal musst du aufpassen, dass dich dein gutes Herz nicht überrumpelt und in die Irre lenkt. Dies ist ein spezieller Fall, auch, das geb ich zu, weil das Mädchen schwarz ist und der Vater ein Ausländer, er lebt seit langem hier, aber er ist ein Ausländer, er ist nicht hier geboren und er hat nicht die deutsche Staatsbürgerschaft. Das spielt jedoch keine Rolle. Ich möcht dich warnen, Wastl, ich möcht dich gern davor bewahren, die Realität aus den Augen zu verlieren. Staatstragende Empörung beseitigt das Unrecht nicht. Um die Leute, die in den Zeitungen dummes Zeug verzapfen, brauchen wir uns nicht zu kümmern, die zimmern sich sowieso ihr eigenes Recht, deren Meinung spielt bei der Urteilsfindung keine Rolle, Gott sei Dank.«
»Bist du neuerdings auf einem Auge blind?«, fragte Fischer.
»Lass uns nicht von Kollegen sprechen, deren Gesinnung zweideutig und in manchen Fällen schädlich für unser Rechtsempfinden ist, bleiben wir bei unserem Fall, bei deiner Mandantin. Es spielt keine Rolle, welche Hautfarbe sie hat…«
»Doch.«
»Nein.«
Sie schwiegen, beinah so heftig, wie sie gesprochen hatten, der eine dem anderen ins Gesicht. Fischer wischte sich mit dem Ärmel seiner Trainingsjacke den Schweiß ab und stöhnte. Sein Freund hatte Recht: Tatsächlich hatte er ihm sagen wollen, er vermute, dass Ronfeld auf den Fall vor allem deshalb angesprungen sei, weil es sich bei der Täterin um ein schwarzes Mädchen handelte und die Empörung über sie und ihre Taten in der Öffentlichkeit groß war und immer größer wurde. Eine gute Gelegenheit für einen Staatsanwalt, sich zu profilieren, wenn man höhere Ämter anstrebte, speziell in Bayern. Über Politik hatten sie nie intensiv gesprochen, aber Fischer hatte keinen Zweifel daran, dass Ronfeld Verpflichtungen, die ein Parteibuch verlangten, auch wenn man selbst keines besaß, nicht ungern nachkam, sofern damit ein Schritt in eine angesehenere Zukunft verbunden war. Er hielt ihn nicht für karrieresüchtig, eher für karrierefreudig. Ronfeld war engagiert, klug und clever, und wenn er Fäden spann, dann ohne Aufsehen und trotzdem unübersehbar für jene, die es anging. Wahrscheinlich, dachte Fischer, stimmte Ronfelds Urteil: Er war ein durch und durch guter Charakter und seine Kollegen und Mandanten schätzten und mochten ihn. Zu den wirklich großen und entscheidenden Partys aber lud man ihn nicht ein, die tollen Frauen kriegten die andern, nicht er. Ich hör mir hinterher eure Geschichten an, kein Problem, und wenn ihr jemand zum Ausweinen braucht, hier bin ich.
»Du wirst verlieren, Niklas«, sagte er. Und weil Ronfeld ihn weiter stumm und irgendwie gleichgültig ansah, fügte er hinzu: »Ich dulde nämlich keine Vorverurteilungen.«
Mit einem lauten Krach warf der Staatsanwalt den Schläger auf den Tisch und schlug mit der Hand drauf.
»Bist du noch ganz dicht?«, brüllte er. »Komm runter, Mann!
Komm runter von deinem heiligen Berg! Hast du vergessen, was die alte Frau gesagt hat? Du warst dabei, mein Lieber! Du warst dabei, so wie ich und die Polizisten. Hast du das vergessen? Und was die Kids erzählt haben? Und all die andern? Spinnst du? Willst du mich provozieren? Hast du sie nicht mehr alle? Auf welche Medaille in dieser Stadt spekulierst du denn? Oder bist du bloß paranoid? Womit beschäftigst du dich in der Nacht, wenn du allein in deiner Wohnung hockst? Was machst du da? Ich hab geglaubt, ich kenn dich, aber jetzt denk ich, du bist ja völlig behämmert, du verlierst völlig das Maß. Worum gehts denn hier? Da gehts doch nicht um
Weitere Kostenlose Bücher