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German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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auch, wenn sie im Clinch lagen, dann jedoch wortlos, grimmig und aggressiv. So wie jetzt. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit schmetterte jeder den Ball übers Netz und wenn er im letzten Moment über die Tischkante fegte und unerreichbar die Richtung änderte, entschuldigte sich keiner.
    Obwohl es draußen achtundzwanzig Grad hatte, war es kühl im Keller des Schelling-Salons, wo sich der dreigeteilte Tischtennisraum, einige Kickerkästen und das Billardmuseum befanden. Zu diesem Zeitpunkt, gegen fünfzehn Uhr, waren Ronfeld und Fischer die einzigen Spieler. Wie immer hatten sie die Platte direkt bei der Eingangstür genommen, weil hier mehr Platz war als hinter den alten Stoffvorhängen in Richtung Fenster, dessen Läden geschlossen waren. Das Neonlicht war trüb und wenn er verlor, schob Fischer, der eine starke Brille trug, seine Niederlage auf die miese Beleuchtung, die auf beiden Seiten der Platte unterschiedlich war und ihn irritierte. Abgesehen davon spielte er schlechter als Ronfeld. Der Staatsanwalt machte manchmal absichtlich Fehler, um seinen Gegner nicht zu entmutigen. Aber heute nicht. Heute schmetterte und schnitt Ronfeld die Bälle, wie sie kamen, und nach nur acht Minuten hatte er das erste Spiel mit einundzwanzig zu sechs gewonnen. Fischer war gekränkt. Sie spielten und schwiegen. Ronfeld in einer kurzen grünen Turnhose, die aussah, als habe er sie schon in der Schule getragen, dazu ein ausgewaschenes rotes T- Shirt und abgetretene Turnschuhe; Fischer im blauen Trainingsanzug, die Ärmel hochgekrempelt, mit weißen Tennisschuhen und weißen Socken. Er schwitzte stark und hatte immer ein Handtuch dabei. Beim Seitenwechsel wusch er sich in dem kleinen Waschbecken das Gesicht, ohne es hinterher abzutrocknen. Statt seiner normalen Brille trug er eine gelbe Sportbrille mit Plastikgestell. Schon vor Jahren hatte Ronfeld versucht ihn zu Kontaktlinsen zu überreden, aber der Rechtsanwalt hatte Bedenken, er würde sie ständig verlieren. Ronfeld erklärte, er habe seine Linsen noch nie verloren, zudem sei seine Dioptrienzahl seither nicht gestiegen. Für Fischer waren das keine Argumente, bloß subjektive Erfahrungswerte, die ihn nicht überzeugten.
    Sie schwiegen und spielten weiter. Grimmig und aggressiv. Im zweiten Spiel lag Fischer schon neun zu vierzehn zurück. Er schmetterte, der Ball schleuderte gegen die Netzkante und flog von dort ins Aus. Über solch vertane Chancen konnte er sich minutenlang ärgern, und er wusste, das durfte er nicht, er musste sich konzentrieren, er hatte Angabe, beste Gelegenheit, Punkte einzufahren.
    Kennen gelernt hatten sich die beiden bei einem Faschingsball der Ludwig-Maximilians-Universität. Schon damals, vor mehr als fünfundzwanzig Jahren, war es Ronfeld, der jedes Mädchen bekam, das er wollte, während Fischer die besten Möglichkeiten verspielte, weil er im letzten Moment zu schüchtern oder zu forsch auftrat. Auch beim Tischtennis fehlten ihm oft Ruhe und Überblick und manchmal zeigte sich dieser Mangel sogar im Gerichtssaal. Wenn er es dann mit Ronfeld zu tun hatte, bekam er keinen Stich, da dieser Fischers Unentschiedenheit gnadenlos ausnutzte. Als Ronfeld heiratete, war Fischer sein Trauzeuge und er beneidete seinen Freund nicht nur um die attraktive Frau. An jenem Tag, während der Zeremonie und später bei der Feier in dem wundervoll dekorierten italienischen Restaurant, gab es Augenblicke, in denen Fischer mit purem Neid das Brautpaar betrachtete und ihn die Lässigkeit, mit der sein Kollege und Freund durchs Leben spazierte, anwiderte. Er hasste sich für solche Gedanken, aber er hatte sie immer wieder und es gelang ihm nicht, sich von ihnen zu befreien. Etwas in seiner Beziehung zu Ronfeld war gebrochen, und je öfter sie sich stritten und aus dem Weg gingen, desto tiefer empfand er diesen Riss, desto verbissener bekämpfte er Ronfelds nüchterne Sachlichkeit im Beruf und darüber hinaus. Vor allem im Beruf. Einundzwanzig zu elf verloren. Fischer wusch sich das Gesicht, sah in den Spiegel, bleckte die Zähne. Unten rechts wurde der Schneidezahn immer gelber, wenn der ausfiel, brauchte er eine Brücke, noch eine. Dann kann ich mir gleich ein Gebiss machen lassen, verdammt! Dr. Sebastian Fischer war achtundvierzig und seit er sich erinnern konnte, hatte er eine Baustelle im Mund.
    Während er die Brille mit einem Papiertuch säuberte, das er von der Rolle neben dem Spiegel abgerissen hatte, ließ Ronfeld den Ball auf den Schläger ploppen.

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