Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
German Angst

German Angst

Titel: German Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
hinunter und versuchte, einfach nur hinzusehen und nicht in Panik zu geraten. Eine halbe Stunde später begannen vier Männer von der Spurensicherung mit ihrer Arbeit, während zwei Streifenbeamte Sonja nach Hause fuhren. Tabor Süden telefonierte von Natalias Wohnung aus mit Karl Funkel und besprach mit ihm die Fahndungsmaßnahmen. Fürs Erste gingen beide davon aus, dass Natalia Horn Opfer einer Entführung geworden war, auch wenn die Beweise bislang dürftig waren. Allerdings werteten sie die Blutspuren im Wohnzimmer als ausreichende Alarmzeichen, um die Ermittlungen aufzunehmen. Ein Motiv für eine mögliche Entführung gab es nicht. Süden hatte Arano noch einmal befragt, doch ohne Ergebnis. Ob Funkel eine Sonderkommission einberufen würde, wollte er noch offen lassen, die Kollegen der Vermisstenstelle sollten erst sämtliche Krankenhäuser abklappern und sicherstellen, dass Natalia nicht schwer verletzt in eines davon eingeliefert worden war und man aus irgendwelchen Gründen die Angehörigen noch nicht verständigt hatte. Außerdem musste Funkel mit Hauptkommissar Thon, dem Abteilungsleiter, sprechen und abwarten, wie er den Fall einschätzte.
    »Lass uns morgen Vormittag entscheiden, ob wir diese Vermissung hochfahren«, sagte Funkel. »Kann ja sein, ihr schafft die Fahndung auch ohne Soko.«
    Süden legte den Hörer auf und machte seinen Kollegen vom Kommissariat 311 Platz, die damit begannen, Fingerspuren im Flur und an der Eingangstür zu sichern. Danach kam der Garten dran, denn wenn es stimmte, was die kleine Maja erzählt hatte, dann musste es im Gras Reifenabdrücke des roten Fahrzeugs geben.
    Ein Halogenscheinwerfer erleuchtete die Vorderseite des Hauses. Herr und Frau Lang waren die ersten Nachbarn, die auf die Straße kamen und das Geschehen neugierig beobachteten.
    »Was passiert jetzt?«, fragte Arano. Aufrecht saß er auf der Couch, die Hände im Schoß gefaltet.
    Süden setzte sich neben ihn. »Wir machen uns ein Bild«, sagte er. Es war ihm unmöglich, sich vorzustellen, wieso Natalia Horn entführt worden sein sollte und wer einen Nutzen davon hätte.
    Drei Tage später sollte er begreifen, dass es nicht auf das ankam, was er sich vorstellen konnte, sondern darauf, seine Vorstellung dem, was passierte, unterzuordnen. Das war der Tag, an dem Tabor Süden aufhörte sich ein Bild zu machen.
    Dann fuhr das Auto los. Und sie war dankbar, sie hätte weinen können vor Erleichterung. Das Auto fuhr wieder und das bedeutete, sie würde vielleicht bald wieder sehen dürfen, und vielleicht etwas trinken, und vielleicht aufstehen und ein paar Schritte gehen. Nur ein paar Schritte. Mit aller Kraft hoffte sie, man würde ihr das Klebeband von den Augen nehmen und das Taschentuch aus dem Mund. Die ganze Zeit, während sie im Kofferraum lag, hatte sie Angst, sie würde ersticken, sie würde das Taschentuch verschlucken und jämmerlich krepieren. Vorsichtig, ganz vorsichtig atmete sie durch die Nase und langsam, ganz langsam hörte die Angst auf. Und nun war die Angst verschwunden und sie merkte es und hätte weinen können vor Erleichterung. Weinen war nicht möglich wegen des Klebebands über ihren Augen. Gefesselt lag sie da und der Wagen fuhr wieder und wenigstens das war eine Veränderung.
    Seltsamerweise war sie überzeugt davon, die Männer würden sie nicht umbringen. Die brauchen mich, dachte sie, die haben was mit mir vor, bei dem ich als Leiche nichts nütze. Es war kein Gefühl von Hoffnung, das sie empfand, mehr eine diffuse Erwartung, die sich eingestellt hatte, nachdem der Mann ihr zugeflüstert hatte, dass sie am Leben bleibe, wenn ihr Stecher brav sei. Wenn dein Stecher brav ist, hatte er gesagt, mit seinen Lippen nah an ihrem Ohr, und das waren die einzigen Worte, an die sie sich erinnerte. Was die Männer in ihrer Wohnung gesprochen hatten, wusste sie nicht mehr, nicht einmal an ihre Gesichter erinnerte sie sich, nicht einmal genau an die Dinge, die geschehen waren. Erst als der Mann den Kofferraum öffnete und ihr etwas zuflüsterte, kam sie zu Bewusstsein, jedenfalls glaubte sie, bis zu diesem Moment wie benommen gewesen zu sein, unfähig, etwas wahrzunehmen. Nein, man würde sie nicht umbringen, nicht jetzt, noch nicht. Wenn dein Stecher brav ist…
    Sie hörte das Donnern von Autos und den Motor des Wagens, in dem sie lag. Der Wagen fuhr schnell, sehr schnell. Sie wurde hin und her geschüttelt, sie schlug sich den Kopf an, sie musste aufpassen, sie durfte sich nicht verletzen, niemand

Weitere Kostenlose Bücher