German für Deutsche
machtpolitische Liebedienerei aus. Zur national-manischen Hochform laufen Sprachwächter im Nationalsozialismus auf.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Rolle von Verdeutschungsprojekten noch prekärer geworden. Politisch hangeln sie im Leeren, da Regierungsmacht sich eher durch polyglottes Schwafeln und weniger durch kerniges Deutschtümeln auszeichnen möchte. Bildungspolitisch gibt es wenige Schnittstellen, denn Lernzielkataloge wollen Schlüsselkompetenzen sichern, die Kids globalisierungsfest machen sollen.
Dabei könnte Verdeutschung ihre Rolle in einem weit anregenderen sprachlichen Entwicklungsprojekt spielen. Dessen Akteure müssten aber souveränere Spielzüge beherrschen.
Die Schaffung neuer Wörter aus dem Grundwort- oder Sprachwurzelinventar des Deutschen kann eine Bereicherung sein, wenn ihre Schöpfer sich bei dem Geschäft nicht allzu ernst nehmen. Der bessere Journalismus macht es vor. Da werden im Wochenblatt DIE ZEIT Crostini, jene knusprigen Vorspeisen-Brotscheiben der heimischen Italo-Gastro-Szene, treffend als » Brotbalken« abqualifiziert. Der Spiegel charakterisiert ein Computergame als » Fahren-und-Ballern-Spiel«, was nicht heißt, dass er damit die englische Bezeichnung drive-and-shoot-game aus seinem Blatt verbannen wolle. Das Deutsche schafft hier aber die leicht ironisierende Distanz, die nur von dem wahrgenommen wird, der dafür empfänglich ist. Und vor allem: der den Anglizismus kennt und versteht. Einfachere Naturen mögen sich über den vermiedenen Anglizismus naiv freuen, sofern sie sein Fehlen überhaupt bemerken. Gleich ob es sich um » Geizjahre« oder » Spaßkunden«, » Dosenstecher« oder » Fremdknutscher« handelt – die Journaille erfreut sich nicht nur an Sprachimporten, sondern bastelt gern an neuen deutschen Wörtern. Das ist nicht auf lange Haltbarkeit angelegt, regt aber den Leser an und hält Sprache in Bewegung.
Wie offen darf eine Sprache sein?
2007 wurde die Österreicherin Natascha Kampusch neben der Kammersängerin Edda Moser von der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt zur » Sprachwahrerin des Jahres« gewählt. Frau Kampusch, man erinnere sich, ist ein Entführungsopfer, das als Zehnjährige für mehr als acht Jahre von einem schwer gestörten Sexualstraftäter in Gefangenschaft gehalten worden war. Die Hochphase des Anglizismeneinflusses seit der Jahrtausendwende war ihr also durch die vollständige Abschottung erspart geblieben. Steckt hinter der Verleihung des Ehrentitels das Lob auf die Totaldistanz zu modernem Sprachwandel? Es ist zu befürchten.
Edda Moser, Opernsängerin und Hochschullehrerin, rief 2006 das » Festspiel der deutschen Sprache« ins Leben, das auf der Heidecksburg bei Rudolstadt im Freistaat Thüringen startete und seit 2007 in einem noch von Goethe errichteten Theaterbau in Bad Lauchstädt (Sachsen-Anhalt) stattfindet. Im Gründungsjahr stand die Veranstaltung unter dem Motto Schönheit und Kraft der deutschen Sprache. Lesungen deutscher Klassiker, vornehmlich goethescher und schillerscher Texte, sind Kern- und Fixpunkte der Veranstaltungen.
Dabei lästerte der Deutschen Dichtergott mit keckem Reim gegen die Sprachreiniger seiner Zeit. In den Xenien lesen wir über den Typus des Puristen: » Sinnreich bist du, die Sprache von fremden Wörtern zu säubern. Nun so sage doch, Freund, wie man Pedant uns verdeutscht.«
Wie Goethe mit Fremdsprachen seit früher Kindheit umging, hätte Frau Moser auch zu denken geben müssen: » Mein Vater lehrte die Schwester in demselben Zimmer Italiänisch, wo ich den Cellariu 7 auswendig zu lernen hatte. Indem ich nun mit meinem Pensum bald fertig war und doch still sitzen sollte, horchte ich über das Buch weg und faßte das Italiänische, das mir als eine lustige Abweichung des Lateinischen auffiel, sehr behende .« (aus: Dichtung und Wahrheit)
7 Der » Cellarius«, das Latinitatis probatae et exercitae liber memorialis« des Christoph Cellarius von 1749 – Goethes Geburtsjahr –, war ein damals weit verbreitetes lateinisches Memorier-Wörterbuch; also weniger zum Nachschlagen denn zum heute so verpönten Auswendiglernen gedacht. (Unter digital.slub-dresden.de als PDF zu beziehen.)
Heutige Eliteschulen haben mit Goethes Sprachlernerfahrungen keine Probleme. Der bessere Universitätsabschluss kommt nicht ohne intensives Sprachenlernen aus. Unternehmen mit Kundenkreisen jenseits regionaler Grenzen suchen Mitarbeiter mit Mehrsprachen-Kompetenz. Fremdsprachenkenntnisse stehen daher ganz oben auf
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