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German für Deutsche

German für Deutsche

Titel: German für Deutsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Wueller
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Möglichkeiten zu sprechen und zu schreiben. Wir sind dem nur gewachsen, wenn wir Stil herausbilden. Daran hapert es bei den Deutschen mehr als bei den Kenntnissen um fremde oder neue Wörter. Die Ablehnung von Anglizismen verschleiert oft genug die Unlust, einen Stil auf der Höhe der Zeit herauszubilden. Das ist anstrengend und anregend. Ein Selbstbildungsprogramm, frei nach Immanuel Kant ein Projekt, das aus » selbst verschuldeter Unmündigkeit« heraushelfen mag.
Anglizismen transportieren kulturelle Phänomene. Wer die US -Kultur samt ihrer Wortimporte nicht mag, muss sich aber nicht mit ihr abgeben. Es gibt hierzulande immer noch irische Pubs, bayerische Hofbräuhäuser und den Komödienstadl im gebührenfinanzierten deutschen Fernsehen. Unsere Kultur ist marktplural. Was nachgefragt und bezahlt wird, geht auch in Produktion. (Und vieles mehr, was wir alle zahlen, weil wir uns noch den Luxus einer gemeinsam finanzierten Minderheitenkultur gönnen. Gäbe es sie nicht, müsste man sich über die amerikanische Kulturhegemonie mehr Sorgen machen.)
Anglizismen werden uns weiter beschäftigen. Nichts deutet darauf hin, dass der Einfluss des Englischen global abnähme. Im Gegenteil. Eine durchamerikanisierte Weltkultur kommt dabei aber nicht heraus. Die Japaner, die Kanadier, die Neuseeländer – alle trinken Coke. Und alle pflegen ihre sehr spezifischen nationalen Eigenheiten.
    Die Welt wird nicht einfacher. Im Gegenteil. Anglizismen sind nur eine kleine Facette in diesem schillernden, blendenden Panorama der wachsenden Komplexitäten. Es kann sein, dass es uns gelingt, eine Welt zu schaffen, der wir nicht mehr gewachsen sind. Das wird sich in einer näheren Zukunft zeigen. An den Anglizismen wird es nicht liegen. Sie gehören noch zu dem Trainingspensum, das wir uns auferlegen sollten, wenn wir im globalen Spiel mitspielen wollen.
    Wo das Deutsche Nonsense macht: ungefähr ein Dutzend Parade-Anglizismen
    Unsere Sprachsitten ändern sich schnell. Und die Sprachkritiker hecheln klagend hinterher. Ganz schnell aber sind sie mit der Diagnose » Sprachverfall durch schlecht verdautes Englisch« bei der Hand. So machen wir seit den 60er Jahren Liebe (engl. to make love ), statt uns einfach innig zu lieben. Manche Menschen fallen in Schlaf (engl. to fall asleep ), statt ganz prosaisch einzuschlafen. Und irgendwer hat irgendwo eine gute Zeit (engl. to have a good time ), statt …, nun ja, da wird es schon schwierig mit der passenden deutscheren Entsprechung …
    Aber was spricht eigentlich gegen die beiden Optionen, einmal dramatisch in Schlaf zu fallen, ein andermal schlicht und entspannt einzuschlafen, wenn nebenbei schon Rainer Maria Rilke vor hundert Jahren Mädchen ganz un-anglizistisch in den Schlaf fallen ließ?
    Man sollte genauer auf die Sprache schauen. Sie haben nicht immer Unrecht, die Stil- und Sprachkritiker. Aber sie liegen leider doch so oft mindestens schief, wenn nicht dreist falsch, dass es sich lohnt, sorgfältiger nachzuschauen. Im Folgenden daher ein Dutzend Fälle, bei denen die Anglizismenjäger sich als Wilderer auf sehr schlecht erkundetem Jagdgelände entblöden.
    Ich gebe zu: Es sind dreizehn Beispiele. Ich hoffe, Sie sind nicht abergläubisch. Zur Ablenkung eine Bemerkung zum » Aberglauben«. Der ist eigentlich kein » Aberglaube«, sondern ein » Oberglaube« oder » Überglaube«, also der Glaube an etwas, das über den Inhalten des gemeinen Glaubens angesiedelt ist. Die Lateiner sagten superstitio; die Engländer, die sich dort bedient haben, sprechen noch heute von superstition. Die Vorsilbe » super« kennen wir auch als Nichtlateiner in ihrer Bedeutung » über« oder » ober«. Im Deutschen ist das deutliche » über« im Laufe von Jahrhunderten leider zum unscharfen und ganz anderes bedeutenden » aber« abgeschliffen worden. So bringen uns auch die vermeintlich so reinen deutschen Wörter manchmal schnell aufs semantische Glatteis …
    Pipeline oder Rohrleitung?
    Immer wieder ist zu hören: Ein englisches Wort sei überflüssig, wir hätten schon ein deutsches. Eine Haltung, die das Wachsen von Sprache verkennt. Sprache lebt immer vom Überfluss an Ausdrucksmöglichkeiten. Wäre dem nicht so, hätte menschliche Sprache die logische Struktur einer Computersprache. Das sonderlich 10 Menschliche würde ihr genau dann fehlen.
    10 Ein antiquierter Ausdruck; heute findet sich eher das technisch anmutende » spezifisch« (siehe auch lat. species: » Art«). Auch das eine Aufgabe

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