German für Deutsche
Produktion von medialen Botschaften. Und ohne neue Wörter kann all das nur schlecht präsentiert werden.
Mehr Deutsches für die Deutschen?
Sprachreiniger wollen fremdsprachliche durch deutsche Wörter ersetzen. Die Sprachwissenschaft nennt dies » Verdeutschung« oder » Eindeutschung«. Computer sollen demnach » Rechner« heißen. Das mag einer getrost fordern. Im deutschen Sprachraum werden die Wörter » Computer« und » Rechner« eh fleißig nebeneinanderher genutzt. Was so oft da ist, braucht eben unterschiedliche Benennungen. Was zeigt: Verdeutschung erweitert in der Regel den Korpus, also den Gesamtbestand an Wörtern einer Sprache. Die Wortnot der Medien ist dafür der Hauptgrund. Jede Variante eines Wortes ist Schreibern willkommen, die auf Abwechslung aus sind und das mit gutem Stil verwechseln.
Andere Reinigungsversuche sind problematischer: So sollen Sampler nur mehr » Zusammenstellungen« genannt sein. Das wäre irreführend. Sampler sind in der elektronischen Musik eher » Zusammensteller«, sie produzieren aus Samples ( » digitalen Bausteinen«) ein Sampling, was noch am ehesten » Zusammenstellung« heißen könnte. Musikproduzenten und Musikmarkt scheren sich um das Alternativwort nicht; sie haben mit » Sampling« keine Anwendungsprobleme. Eine Umgewöhnung wäre sprachlich und alltagspraktisch ineffizient. Da Sprachszenen intuitiv sehr ökonomisch funktionieren, müsste es also zu einer sprachlichen Zwangsverwaltung » von oben« kommen, um » Sampling« durch » Zusammenstellung« zu ersetzen. Dafür stehen die Chancen in Deutschland schlecht. (Die Piratenpartei bekäme auch unnötigen Zulauf.)
Der Chefredakteur eines Deutschen Sprachkompass (herausgegeben von jenem Herrn Krämer, der auch dem Verein Deutsche Sprache vorsitzt) empfiehlt, » chillen« durch » entspannen« oder » die Seele baumeln lassen« zu ersetzen. Besagter Herr ist ein Endfünfziger – was kein Problem sein muss –, aber leider ohne Sensorium für jugendliche Sprachsitten. Wer chillt, macht etwas nicht gänzlich, aber dennoch entscheidend anderes, als nur zu entspannen. Die Haltung, das Zubehör (Musik, Lounge-Chair, der auch etwas entscheidend anderes als ein banaler Sessel ist) und die Umgebung (Loungezone eines Rave-Clubs) schaffen einen ganz anders gearteten Entspannungsraum als den, in dem ein Sprachkompass -Chef seine » Seele baumeln lässt«.
Sprachwächter müssten also mehr von den vielfältigen Szenen kennen, in denen neue Wörter sich mit besonderer Bedeutung aufladen. Das ist anstrengend, fürwahr. Wer zu solcher Sprachfeldforschung nicht mehr willens ist, sollte daher öffentlich schweigen und Ressentiments an einem Schreibwächterstammtisch abreagieren.
Verdeutschung hat eine mehr als tausendjährige Tradition. Sie beginnt im frühen Mittelalter. Inlands-Missionare, meist Mönche, leisteten Grundsatzarbeit zur Schaffung einer einheitlichen Sprache: Sie übersetzten zwecks leichterer religiöser Vermittlung fürs bildungs- und glaubensferne Volk lateinische Texte Wort für Wort, samt grammatikalischer und etymologischer Anmerkungen.
Dabei entstanden Merkwürdigkeiten wie » Jungfernzwinger« für » Kloster« (lateinisch claustrum ist Hintergrund), aber auch sehr Praktisches wie » Jahrhundert« für lateinisch saeculum oder » Zufall« für lateinisch accidens. Diese Wörter wurden nötig, weil die zuvor einfache Welt des Frühmittelalterbewohners komplizierter wurde. Jahrhunderte bekamen als Zeiteinheit Bedeutung, und der Zufall sollte gegen das Schicksal gestellt werden können. ( » Zufall oder Notwendigkeit?« – Das konnte damals hingegen noch keiner fragen; » Notwendigkeit« wurde erst im 16. Jahrhundert gebildet.)
Das Althochdeutsche (etwa 750 bis 1050) bekam durch solche Eindeutschungen eine festere Gestalt. Fast zwei Drittel des frühmittelalterlichen Wortschatzes sind uns durch Anmerkungen zu kirchlichen Texten, meist der Bibel, überliefert. Solche » Glossierungen« waren auch die Vorstufe zu den ersten zweisprachigen, alphabetisch geordneten Wörterbüchern.
Ein souveräner Verdeutscher war Martin Luther (1483–1546). Die vorgefundene Sprache, vorzugsweise die sächsische Kanzleisprache, reichte ihm bei seiner Bibelübersetzung oft nicht aus. So musste der Reformator fehlende Wörter selbst schöpfen, » denn wer dolmetschen will, muss großen Vorrat an Worten haben, damit er die recht zur Hand haben kann, wenn eins nirgendwo klingen will.« 4 Luther’sche Neologismen wie »
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