Germania: Roman (German Edition)
öffnete.
»Die Herren vom Sicherheitsdienst«, sagte das Dienstmädchen zu der Frau, die ins Zimmer rauschte. »Vielen Dank, Elvira, das übernehme ich schon«, erwiderte diese.
Frau Schmidt agierte mit einer ungezwungen wirkenden Liebenswürdigkeit. Obwohl Oppenheimer keinen Zweifel hatte, dass ihre zuvorkommende Art einstudiert war, verfehlte sie keinesfalls ihre Wirkung. Im Handumdrehen schaffte es Kitty, dass sich die Besucher bei ihr wohl fühlten. »Schön, dass Sie es heute einrichten konnten. Sie haben ja keine Ahnung, wie es momentan bei uns zugeht. Kunden über Kunden.« Erst jetzt kam Oppenheimer dazu, Kitty Schmidt genauer zu mustern. Sie war eine stattliche Person mit einem sympathischen Gesicht, eine jener Frauen, deren genaues Alter sich schwer einschätzen ließ. Oppenheimer vermutete, dass sie Ende dreißig war.
Eine junge Frau betrat das Vorzimmer. Sie war offensichtlich übermüdet, doch als sie sah, dass zwei Herren anwesend waren, riss sie sich zusammen. »Auf Wiedersehen, Kitty«, verabschiedete sie sich, als sie die Tür zum Treppenhaus öffnete. Oppenheimer war sich nicht sicher, doch es schien ihm fast so, als habe sie Güttler im Vorbeigehen vertraulich zugezwinkert.
»Wiedersehen, Kind«, verabschiedete Kitty ihre Angestellte, bevor sie sich wieder Oppenheimer zuwandte. »Wie ich gesagt habe, Publikumsverkehr. Ich weiß nicht, weshalb, aber in den letzten Wochen ist bei uns ständig Betrieb. Am besten, wir gehen in mein Boudoir, dort sind wir ungestört.«
An der Wand des sogenannten Boudoirs erblickte Oppenheimer ein großes Ölgemälde. Auf ihm war Frau Schmidt mit verschränkten Armen und im Halbprofil zu sehen.
»Ah, Sie bewundern das Gemälde«, sagte Frau Schmidt, als sie Oppenheimers Interesse bemerkte. »Tja, leider kein Tintoretto, aber das war ja auch weit vor meiner Zeit.« Sie quittierte ihre Bemerkung mit einem gutmütigem Lachen. »Sie sind Herr …«
Oppenheimer fuhr zusammen, als er bemerkte, dass er sich noch nicht vorgestellt hatte. Er gab ihr die Hand. »Kommissar Oppenheimer. Ich nehme an, Herr Güttler hat Sie schon in die Sache eingeweiht, Frau Schmidt?«
Kitty stutzte kurz, als sie Oppenheimers Namen hörte. »Aber bitte nennen Sie mich doch Kitty. Jeder tut das.« Das Lächeln auf Kittys Gesicht verflog, als sie sich an den Mordfall erinnerte. »Ja, Herr Güttler hat die Sache mit Friederike bereits erwähnt. Es ist wirklich eine Schande. Aber darf ich Ihnen etwas anbieten? Champagner, Kognak, Kaffee?«
Kitty drückte auf einen Klingelknopf. Wenige Sekunden später erschien das Dienstmädchen. »Haben wir noch von Nummer eins auf Vorrat?«, erkundigte sich Kitty.
»Der Champagner ist leider aus. Vom Großhändler ist noch keine neue Lieferung eingetroffen. Wir müssen woanders nachbestellen.«
»Oh, das tut mir aber leid.« Kitty blickte zu Oppenheimer. »Ich befürchte, meine Gäste sind sehr durstig. Leider ist es manchmal nicht so einfach, an Champagner heranzukommen.«
»Oh, keine Umstände«, sagte Oppenheimer. »Ich bin sowieso im Dienst. Aber Sie hatten Kaffee erwähnt?«
»Natürlich. Echter Bohnenkaffee. Zwei Tassen Kaffee, Elvira.«
Mit einem Knicks verschwand das Dienstmädchen.
»Sie sprachen gerade von einer Friederike?«, fragte Oppenheimer. Er blickte kurz in sein Notizbuch. »Laut meinen Angaben hieß sie Edith Zöllner.«
»Natürlich, ich vergaß. Unsere Mädchen haben alle einen Künstlernamen.« Sie schlug ein Album auf und reichte es Oppenheimer.
»Hier, unser Photo von ihr.«
Nicht von ungefähr musste Oppenheimer bei diesem Anblick an Christina Gerdeler denken. Auch Fräulein Zöllner räkelte sich auf der Photographie im textilfreien Zustand vor der Kameralinse. Die übrigen Bilder in dem Album zeigten andere Frauen in ähnlichen Posen.
»Das Photo kann ich jetzt wohl herausnehmen.« Kitty seufzte bedrückt und holte hinter ihrem Schreibtisch eine Flasche Mampe hervor. »Möchten Sie auch, Herr Kommissar? Oh, ich vergaß, Sie sind ja im Dienst.« Daraufhin goss sie sich ein Glas von dem Likör ein und nippte daran.
»Ihre Mädchen wohnen nicht zufällig hier?«, erkundigte sich Oppenheimer.
»Nein, das geht nicht. Es arbeiten fünfunddreißig Frauen für mich. Das wären viel zu viele für diese Wohnung. Ich habe die Telefonnummern. Meine Gäste bekommen die Alben vorgelegt und können sich aussuchen, mit welcher Dame sie ihre Zeit verbringen möchten. Dann rufe ich sie daheim an oder lasse nach ihr schicken, und wir
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