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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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warten, bis sie hier erscheint.«
    »Wann haben Sie Fräulein Zöllner zum letzten Mal gesehen?«
    »Das war Samstagnacht. Wir hatten hier Hochbetrieb. Sie ist gegen halb vier Uhr nach Hause gegangen. Vorher wollte sie noch etwas mit meiner Haushälterin besprechen, doch die hatte sich schon schlafen gelegt. Und am Sonntag habe ich Friederike, ich meine, Fräulein Zöllner, nicht mehr kontaktieren können.«
    »Wer arbeitet hier sonst noch?«
    »Nur zwei Dienstmädchen und die Haushälterin.«
    »Sie beschäftigen also nur Frauen?«
    »Das stimmt.«
    Im Salon arbeitete niemand, der der Täterbeschreibung entsprach. Die brauchbaren Informationen, die Oppenheimer von Kitty erhielt, waren überschaubar. Sie hatte keinen Verdacht, wer der Täter sein konnte, und tat natürlich so, als könne sie sich nicht an die Namen von Fräulein Zöllners Stammkunden erinnern.
    Als Nächstes befragte Oppenheimer die Haushälterin, die ein einfaches dunkles Kleid trug, ihr Haar zu einem Dutt hochgesteckt hatte und mit ihrer reservierten Haltung so gar nicht in diese Umgebung passte.
    »Rosalie, das ist Kommissar Oppenheimer«, stellte Kitty ihren Gast vor. Für einen kurzen Augenblick blickte ihn Rosalie überrascht an. Dann musterte sie ihn aufmerksam, schien nach etwas zu suchen.
    »Guten Tag«, sagte sie und schaute dann wieder zu Kitty. Diese nickte fast unmerklich und führte sie zu einem Stuhl. Oppenheimer beschlich ein ungutes Gefühl. Das Verhalten der beiden Frauen war eindeutig. Sie hatten ihn durchschaut. Sie hatten eins und eins zusammengezählt, sein Name, die Löcher vorn im Stoff des Mantels, wo der gelbe Stern angenäht war. Sie beide wussten, dass er Jude war. Doch keine sprach ihn darauf an.
    Rosalie hatte keine Ahnung, weswegen Fräulein Zöllner zuletzt mit ihr hatte sprechen wollen. Am Tag vor ihrem Verschwinden hatten sich die Frauen nicht einmal gesehen.
    Enttäuscht verabschiedete sich Oppenheimer. Er war mit Güttler bereits wieder im Treppenhaus, als er hinter sich Kittys leise Stimme vernahm.
    »Kommissar Oppenheimer?« Kitty zog ihn kurz beiseite, damit Güttler sie nicht sehen konnte.
    »Die Zeiten müssen für Sie sehr schwer sein«, flüsterte sie. Dann drückte sie ihm einige Geldscheine in die Hand und fügte in normaler Lautstärke hinzu: »Beehren Sie uns doch bald wieder. Neue Gesichter sind hier immer gern gesehen. Auf Wiedersehen.«
    Damit schloss sie die Tür vor Oppenheimers Nase. Überrascht verharrte er eine Sekunde, ehe er die Geldscheine eilig wegsteckte.
    Güttler stand bereits auf der Straße, als Oppenheimer aus dem Gebäude trat. Er konnte nichts von der Transaktion mitbekommen haben. Dennoch glaubte Oppenheimer, erklären zu müssen, warum er gebummelt hatte.
    »Sie scheint sehr darauf bedacht, neue Kundschaft anzulocken.« Er tat sein Bestes, um verlegen zu lächeln.
    Güttler kommentierte dies nicht. Stattdessen nickte er zu einem Lastwagen hinüber, von dessen Ladefläche ein Lieferant Champagnerkisten ablud. »Da kommt der Nachschub für Kitty. Pech gehabt, wir waren heute zu früh da.«

    Fräulein Zöllners Wohnung war schnell ausfindig gemacht. Sie wohnte nur wenige hundert Meter vom Salon Kitty entfernt. Die Besitzerin des Hauses schien keine Ahnung von Fräulein Zöllners Beruf zu haben und schilderte sie als angenehme Mieterin, die keinen Lärm machte, pünktlich zahlte und keinen Männerbesuch empfing. Sie hatte die junge Frau zuletzt am Samstagnachmittag gesehen, als sie das Haus verließ. Dies legte den Schluss nahe, dass Fräulein Zöllner wahrscheinlich Samstagnacht auf dem Heimweg von dem Täter entführt worden war. Da der Mörder aus unerfindlichen Gründen nicht wie üblich am Freitag zugeschlagen hatte, wurde die Leiche dieses Mal erst am Montagmorgen entdeckt.
    Selten hatte Oppenheimer derartig spärliche Indizien gehabt. Selbst die Täterbeschreibung war dermaßen vage, dass sie nicht viel damit anfangen konnten. Als er nochmals das Protokoll studierte, das Voglers Männer von der Befragung Fräulein Beckers angefertigt hatten, stutzte er jedoch. Als Oppenheimer das Schriftstück mit seinen eigenen Aufzeichnungen verglich, stellte er fest, dass Fräulein Becker unterschiedliche Angaben gemacht hatte. In der ersten Befragung hatte sie behauptet, dass der Mann, den sie gesehen hatte, dunkle Haare hatte. Ihm gegenüber hatte sie ihn jedoch als blond beschrieben. Oppenheimer konnte sich noch deutlich daran erinnern, wie sie die Haarfarbe mit der von Jean Harlow

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