Germania: Roman (German Edition)
die Farbe aus Graeters Gesicht. Auch Schröder glotzte ihn mit seinem Zyklopenauge an und erhob sich langsam. »Ich hoffe, das stimmt auch.«
»Nach dem Verdächtigen wird bereits gefahndet. Ich verlange, dass alle Mannschaften, die in dieser Sache tätig sind, unter meine Leitung gestellt werden, damit der Verbrecher unverzüglich gefasst wird.«
Schröder schritt gedankenverloren durch den Raum. Er hatte sein Interesse an Graeter verloren. Vogler wusste jedoch, dass ihm seine Autorität verbot, einem Hauptsturmführer prompt jeden Wunsch zu erfüllen. »Ich werde mir das überlegen. Sobald ich zu einem Entschluss gekommen bin, gebe ich Ihnen Bescheid. Sonst noch was?«
Aus den Augenwinkeln beobachtete Vogler, wie Graeter zusammengesunken auf dem Stuhl saß. Es geschah ihm recht. Jetzt war der geeignete Moment gekommen, seinen Triumph auszukosten. Er wusste, dass er mit dem nächsten Zug Graeter zutiefst demütigen würde.
»Ich habe noch einen weiteren, äußerst wichtigen Auftrag, der erledigt werden muss.«
Überrascht blickte Schröder auf. »Reden Sie.«
»In der Mordserie gibt es noch einen zweiten Verdächtigen. Ich lege großen Wert darauf, dass wir diese Sache intern aufklären. Nur so können wir absolute Geheimhaltung wahren.«
Schröder wurde ernst. »Wozu diese Vorsichtsmaßnahme? Haben wir es etwa mit einem zweiten Orgotzow zu tun?«
»Wahrscheinlich ist es nicht, doch wir können es nicht ausschließen. Lutzow heißt der Mann, Mitglied der SA, der vor längerer Zeit mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Hier ist seine Polizeiakte.« Er reichte Schröder die Akte. »Ich brauche alle Informationen, die wir bekommen können. Am besten, wir machen ihn gleich dingfest, um ihn verhören zu können, sicher ist sicher. Doch wir müssen sehr vorsichtig vorgehen. Nichts sollte darüber an die Öffentlichkeit gelangen. Diese Aufgabe darf nur einem zuverlässigen Mann übertragen werden. Ich schlage Hauptsturmführer Graeter vor.«
Zufrieden registrierte er den geschockten Gesichtsausdruck seines Rivalen, der sofort begriffen hatte, dass Voglers Lob vergiftet war. Der anscheinend so wichtige Auftrag, mit dem er betraut werden sollte, war äußerst undankbar. Graeter musste einen Parteigenossen unter die Lupe nehmen. Dies war eine überaus delikate Aufgabe. Wenn er nichts fand, würde die Sache im Sand verlaufen, und wenn sich herausstellen sollte, dass Lutzow Dreck am Stecken hatte, würde nur eine Handvoll Personen davon erfahren. In jedem Fall würde vor allem Vogler die Anerkennung ernten, weil er dem Mörder auf die Schliche gekommen war.
Schröder verlagerte sein Gewicht von den Fußballen auf die Fersen und dachte über Voglers Vorschlag nach. Schließlich nickte er. »Ich teile Ihre Einschätzung der Lage. Graeter, Sie sind sofort Hauptsturmführer Vogler unterstellt. Sie haben ihm unverzüglich Bericht zu erstatten, sobald Sie etwas finden.« Dann blickte er Vogler an. »Und Sie, mein lieber Hauptsturmführer, Sie sind ab sofort bis in letzter Konsequenz dafür verantwortlich, dass die Untersuchung erfolgreich abgeschlossen wird. Wie Sie das anstellen, ist mir egal! Ich hoffe, Sie haben verstanden.«
Schröders Bedingungen kamen Voglers Spielernatur durchaus entgegen. Jetzt hieß es alles oder nichts. Er salutierte. »Zu Befehl, Herr Oberführer!«
Hilde brauchte einen Moment, um die Neuigkeit zu verdauen. Dann lachte sie laut los. Ihr Gelächter ließ den Telefonhörer erzittern. »In der Kameradschaftssiedlung? Heilige Scheiße!«, verstand Oppenheimer zwischen ihren Japsern lediglich. Nachdem sie in ihrer neuen Unterkunft früh zu Abend gegessen hatten, war er mit Lisa ins nächstbeste Lokal gegangen, um Hilde von dort aus am Telefon die letzten Neuigkeiten mitzuteilen.
Langsam beruhigte sie sich wieder. »Das ist wirklich gerissen vom Arschgesicht. Bis wann hat euch der Joseph Zeit gegeben?«
»Bis Ende der Woche. Aber wie gesagt, wir haben bereits einen möglichen Kandidaten.«
»Das gefällt mir trotzdem nicht. Es ist zu gefährlich. Ich gebe Pünktchen und Anton Bescheid und lasse die Operation anrollen. Du weißt schon, was ich meine. Am besten, ihr packt nicht aus.«
»Hilde, die Sache ist noch lange nicht aufgeklärt«, protestierte Oppenheimer halbherzig.
»Quatsch mit Soße. Rette deinen Arsch!«
Trotz des nebligen Wetters war es noch hell genug, um Lisa die Siedlung zeigen zu können. Die Jahreszeiten schienen durcheinandergekommen zu sein, denn obwohl es Mitte Juni war,
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