Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
Vom Netzwerk:
konstatierte Oppenheimer. »Gab es weitere Blutspuren in der näheren Umgebung?«
    »Wir haben nichts gefunden.«
    »Gut. Das heißt, dass die Leiche irgendwie transportiert wurde. Ich schätze, das Fahrzeug wurde gleich hier abgestellt. Zwischen der Kirche und dem Denkmal. Von dort sind es nur ein paar Meter bis zum Fundort. Obwohl dies ein öffentlicher Platz ist, konnte von der Straße aus kaum jemand sehen, was hier hinter dem Steinblock vor sich ging. Allenfalls die Anwohner im ersten Stock und im Erdgeschoss, doch es war Nacht, und die Fenster waren ab halb zehn verdunkelt. Das Risiko, gestört zu werden, war minimal.«
    »Es kann also kein Zufall sein, dass die Leiche hier gefunden wurde?«
    »Das würde mich arg wundern. Es deutet alles darauf hin, dass der Täter diesen Ort genau kennt und ausgewählt hat. Nur, was das Ganze soll – keine Ahnung.«
    Oppenheimer ließ gedankenvoll seinen Blick umherschweifen. Dann holte er seine Zigarettenspitze aus der Innentasche des Mantels hervor und steckte sie in den Mund. Den Blick auf den Boden geheftet, ging er umher und kaute dabei auf der Spitze aus Meerschaum. Vogler beobachtete eine Weile dieses Schauspiel, dann fragte er: »Möchten Sie vielleicht eine Zigarette haben?«
    Oppenheimer blickte ihn überrascht an. »Zigarette?«, wiederholte er, doch als ihm bewusst wurde, welchen Anblick er bot, kam er sich ein wenig töricht vor. »Oh, vielen Dank. Nur keine Umstände. Das mit der Zigarettenspitze – es ist eine alte Angewohnheit von mir. Sie müssen entschuldigen, aber es hilft mir beim Denken.«
    Vogler zog seine Brauen hoch. Was immer er auch davon halten mochte, dass jemand zum Denken eine Zigarettenspitze benötigte, er kommentierte diese Angewohnheit nicht. Stattdessen fragte er: »Der Täter hat also irgendein Fahrzeug?«
    »Er hat es zumindest geschafft, die Leiche unauffällig zu transportieren. Allerdings muss das Fahrzeug nicht unbedingt motorisiert sein. Eine Handkarre würde bereits reichen. Das würde allerdings bedeuten, dass er in unmittelbarer Nähe wohnt. Ist den Anwohnern in der Nacht ein Fahrzeug aufgefallen?«
    »Sie müssen verstehen, dass diese Untersuchung streng geheim ist. Wir können nicht alle Nachbarn vernehmen, ohne Verdacht zu erregen. Aus diesem Grund haben wir die Blockwarte der umliegenden Gebäude verständigt. Sie werden sich bei den Mietern erkundigen und die Ergebnisse mitteilen.«
    »Das setzt natürlich voraus, dass sie den Blockwarten alles erzählen.« Oppenheimer konnte es sich nicht verkneifen, Vogler dabei zweideutig anzulächeln, doch dieser schien die Anspielung nicht zu verstehen. Die Blockwarte waren zweifellos alle linientreu und würden absolutes Stillschweigen bewahren, außerdem waren sie für diese Art von diskreten Spitzeldiensten geradezu prädestiniert, da es ihre Aufgabe war, die Mieter auszuspionieren. Allerdings war auch genau dies der Grund dafür, dass sie in der Regel nicht sonderlich beliebt waren.
    Oppenheimer blickte wieder zur Kirche. »Der Pfarrer?«, fragte er.
    Vogler erriet Oppenheimers Gedanken. »Bereits vernommen. Er hielt am Samstagabend eine Messe. Später hat er nichts Auffälliges bemerkt.«
    »Und was ist mit dem Küster?«
    »Er hat die Türen um zehn Uhr abends verschlossen und dabei niemanden gesehen.«
    »Gut. Die nächste Frage: Warum dieser Ort? Die Leiche wurde hierhergebracht. Wenn ich bedenke, wie wir sie aufgefunden haben, dann liegt der Verdacht nahe, dass sie bewusst hier plaziert wurde. Die Beine waren gespreizt und wiesen direkt auf dieses Gebilde. Was ist das eigentlich?«
    Suchend ging Oppenheimer um den Steinblock herum, bis er eine Inschrift gefunden hatte.
    »Ah, hier haben wir es.« Er las laut vor: »Es starben den Tod fürs Vaterlande im Weltkriege 1914–1918.«
    Oppenheimer hielt kurz inne. Gedankenverloren klopfte er gegen den schweren Stein. »Also. Wir können zusammenfassen: Unser Fundort ist ein Kirchplatz. Die Leiche wurde vor ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges gelegt. Die Art, in der sie plaziert war, lässt an eine Inszenierung denken. Der Täter wollte, dass sie in diesem Zustand gefunden wird.«
    »Vielleicht suchte er nur einen Ort, an dem sie sofort auffällt?«, warf Vogler ein.
    »Möglich. Damit werden wir uns beschäftigen müssen. Die geringen Blutspuren könnten ein Hinweis darauf sein, dass die Geschlechtsteile des Opfers erst nach dem Tod verstümmelt wurden. Also lässt sich nicht ausschließen, dass wir es hier nur

Weitere Kostenlose Bücher