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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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zerstörten Gebäuden am Straßenrand. Mittendrin befanden sich Menschen, die ihre verbliebenen Besitztümer bewachten. Manche von ihnen saßen auf ihrem Luftschutzkoffer, während sich andere erschöpft auf plüschbezogenen Stühlen oder sonstigem Mobiliar niedergelassen hatten, das sie mit letzter Kraft aus ihren brennenden Wohnungen retten konnten.
    Nur wenige Meter weiter hatte man mitten auf dem Gehsteig in Reih und Glied die geborgenen Leichen hingelegt. Im Vorbeigehen konnte Oppenheimer nicht anders, als einen hastigen Blick auf die Toten zu werfen. Er sah einen Mann, den die Leute vom SHD unter zentnerschweren Trümmern hervorgezogen hatten, dessen verformter Schädel wie ein weichgekochtes Ei ohne Schale aussah.
    Das Häuserskelett hinter den Leichen war mit einem Transparent markiert. Diese Schadensstelle ist nach Verschütteten durchsucht, stand darauf zu lesen. Wie alle Bereiche, in denen die SHD-Leute die Suche aufgegeben hatten, war auch die Geröllhalde des ehemaligen Hauses mit Chlorkalk bestreut worden, um das Gelände zu desinfizieren.
    Sträflinge in gestreifter Kleidung waren dabei, die Straße notdürftig vom Geröll freizuräumen. SS-Männer bewachten sie dabei, die Hand immer an der Waffe. Oppenheimer kam an Frauen von der Feuerschutzpolizei vorbei, die damit beschäftigt waren, die Wasserschläuche wieder zusammenzurollen. Mit ihrer dunklen Uniform, den schweren Schuhen und dem Schiffchen auf dem Kopf waren sie für Oppenheimer ein ungewohnter, da seltsam maskuliner Anblick.
    »Oppenheimer!«, ertönte es plötzlich zu seiner Rechten. Dr. Klein näherte sich winkend aus einer Seitenstraße. Trotz seiner Leibesfülle tänzelte er überraschend leichtfüßig um die Geröllhaufen herum. »Ein Glück, Sie zu sehen! Ich dachte, es hätte Sie vielleicht auch erwischt!«
    »Ruhe!«, fauchte ihn aus einer nahen Ruine ein Mann mit Kopfhörer an. Klein zuckte zusammen und erstarrte. Doch der Mann achtete nicht auf dessen entschuldigende Geste, sondern presste angestrengt den Kopfhörer an seine Ohren. Langsam setzte er sich wieder neben die Horchgranaten, mit denen er in der Tiefe nach Klopfzeichen lauschte.
    »Es ist nichts geschehen«, flüsterte Klein. »Alles in Ordnung. Das Haus steht noch. Da haben wir noch mal Schwein gehabt, fast hätte das Feuer den Gaskeller unseres Nachbarn erreicht. Zum Glück wurde noch rechtzeitig gelöscht. Die alte Schlesinger hat eine Rauchvergiftung, aber halb so wild.«
    Eine weitere Stimme rief in ihrer Nähe: »Richard!« Lisa kam auf ihn zu.
    »Gott sei Dank«, sagte Klein. »Gerade wollte ich mich nach Ihnen erkundigen. Sehr gut, dann sind zumindest die Bewohner unseres Hauses allesamt davongekommen.«
    Lisas Gesicht war vor Aufregung gerötet. Als Oppenheimer sie umarmte, bemerkte er, dass sie kaum zu atmen wagte. »Richard, warum bist du noch hier?«, brachte sie schließlich hervor.
    »Es ist alles in Ordnung«, flüsterte Oppenheimer ihr ins Ohr. »Sie haben mich heute früh wieder mitgenommen, aber ich bin außer Gefahr. Hast du verstanden? Sie brauchen mich.«
    »Was wollen sie von dir?«
    »Ich soll bei der Untersuchung mithelfen.«
    »Richard! Bist du wahnsinnig geworden?«
    »Sie haben mir keine Wahl gelassen. Wenn man darüber nachdenkt, ist es vielleicht das Beste, was uns geschehen kann. Solange die Untersuchung läuft, sind wir aus dem Schneider! Ich stehe praktisch unter dem Schutz der SS! Und Maschinen muss ich vorerst auch nicht mehr putzen.«
    Oppenheimer blickte Lisa in die Augen. Er versuchte, zuversichtlich zu wirken, doch Lisa war zu klug für diese Finte. Er spürte, dass zwischen ihnen beiden eine unausgesprochene Frage stand. Zweifellos fragte sich Lisa, was geschehen würde, wenn die Untersuchung erst einmal abgeschlossen war.
    Dr. Klein gesellte sich zu ihnen und zeigte auf eine weitere rauchende Ruine. »Sehen Sie dort? Nur ein einziges Haus getroffen. Die daneben stehen noch. Scheint sich um eine neue Art von Bombe zu handeln.« Er ging zum Rand des Kraters und inspizierte ihn neugierig. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Der Einschlag geht viel tiefer in die Erde hinein als sonst. Die Umgebung hier ist völlig verschont geblieben. Merkwürdig.«
    Oppenheimer warf zerstreut einen Blick auf den Bombentrichter. Sein ungeschultes Auge sah lediglich, dass etwas die Decke des Kellers durchschlagen hatte. Wie frischer Schnee lag Kalk in dem jetzt freiliegenden Kellerraum. Die technischen Finessen der Kriegsführung interessierten ihn nur

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