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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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beiden trotz der geschlossenen Tür noch einige Sätze der Konversation verfolgen.
    »Außerdem verlange ich eine bessere Unterkunft. Ist Ihnen eigentlich klar, dass ich die Gattin von SS-Offizier Krug bin?«
    »Frau Lore, ich habe es Ihnen bereits mehrmals gesagt: Es gibt bei uns keine Sonderbehandlung.«
    »Hauptsturmführer Vogler und Kommissar Oppenheimer, nehme ich an?«, ertönte es vom Schreibtisch her. Als Oppenheimer den Mann ansah, hatte dieser schon seinen Arm zum Deutschen Gruß hochgereckt. »Heil Hitler! Bitte nehmen Sie Platz.«
    Der Herr Doktor machte sich nicht die Mühe, sich vorzustellen. Da auch jeder andere Heimbewohner von ihm nur als Herr Doktor sprach, überlegte Oppenheimer, ob Doktor wohl sein eigentlicher Nachname war. In ihrem Gespräch bestätigte dieser lediglich die Angaben von Frau Berg. Auch bei der Frage, in welchem Lebensborn-Heim Inge Friedrichsen ihren Sohn zur Welt gebracht hatte, blieb er ihnen eine konkrete Antwort schuldig. Obwohl Oppenheimer den Heimnamen bereits von Fräulein Behringer erfahren hatte, wollte er diese Angabe zweifelsfrei verifizieren.
    »Sie müssen verstehen, dass diese Dinge streng vertraulich sind«, erklärte der Herr Doktor. »Solche Daten darf ich Ihnen nur nach Rücksprache mit unserer Zentrale in München geben.«
    »Sie scheinen nicht zu verstehen: Diese Angaben sind wichtig für unsere Untersuchung«, beharrte Oppenheimer.
    »Wie gesagt, ich kann Ihnen keine andere Antwort geben.«
    »Wir werden das klären«, schaltete sich Vogler ein. Für Oppenheimer fügte er hinzu: »Der Lebensborn ist dem SS-Rasse- und Siedlungshauptamt unterstellt. Ich werde mich direkt mit jemandem dort in Verbindung setzen.«
    »Das wird die schnellste Methode sein«, pflichtete der Herr Doktor bei.
    Oppenheimer saß neben den beiden und konnte zusehen, wie sie sich die Bälle zuspielten. Sowohl Vogler als auch der Doktor gehörten zu derselben Organisation und verstanden die Struktur des Apparates, der mit seinen zahlreichen Verflechtungen und dem allgegenwärtigen Kompetenzgerangel für Oppenheimer undurchschaubar war. Demzufolge fühlte er sich in dieser Situation weniger wie ein ermittelnder Kommissar, sondern vielmehr wie ein passiver Zuschauer in einer fremden Welt. Die Männer blickten einander schweigend an. Vogler schien auf eine weitere Frage von Oppenheimer zu warten, doch die einzige, die ihm in den Sinn kam, war, ob er hier überhaupt etwas ausrichten konnte.
    Schließlich unterbrach der Herr Doktor die Stille. »Ich nehme an, Frau Berg hat Ihnen bereits unser Anwesen gezeigt, Herr Oppenheimer?«
    »Ja, wir haben die Führung schon hinter uns.«
    »Und was halten Sie von unserem Heim?«
    Wahrheitsgetreu antwortete Oppenheimer: »Es ist wirklich anders, als meine Erwartung war.«
    »Der Lebensborn hat eine wichtige Funktion. Die meisten Leute vergessen das. Ein Faktum ist, dass die Zeugungsbereitschaft seit Beginn des Krieges zurückgegangen ist. Außerdem werden immer noch zu wenig Elitekinder geboren. Schon in naher Zukunft wird es zu einem Defizit kommen, das es aufzuholen gilt, das müssen wir bei unserer Planung stets berücksichtigen. In seinem eigenen Interesse braucht das deutsche Volk eine Generation herausragender menschlicher Wesen. Schließlich muss jemand an der Spitze von Staat und Gesellschaft stehen, wenn der Führer einmal nicht mehr unter uns weilen sollte. Viele Menschen wollen das einfach nicht verstehen, selbst viele Männer der SS weigern sich, ihre Zeugungspflicht gegenüber der deutschen Rasse zu erfüllen.«
    »Ich muss gestehen, dass ich genau in dieser Beziehung hier etwas anderes erwartet hatte.«
    »Was meinen Sie?«
    »Im Allgemeinen werden die Lebensborn-Heime als eine Art – Bordelle gesehen.«
    Der Herr Doktor lachte gönnerhaft. »Ah, die Sache mit den Zeugungshelfern. Leider wird das immer falsch verstanden. Aber vielleicht ist es ganz gut, dass ich die Möglichkeit habe, hier einige Missverständnisse aufzuklären. Um es ganz klar zu sagen: Der Lebensborn will die Institution der Ehe nicht unterminieren. Nichts liegt uns ferner. Doch eine Ehe kann erst als Fundament des Staates gesehen werden, wenn sie kinderreich ist. Es stimmt, dass es Überlegungen gibt, Müttern, die gebärwillig sind und keinen Partner finden, künftig zu ihrem Kinderwunsch zu verhelfen, indem wir ihnen spezielle Zeugungshelfer zur Verfügung stellen. Doch mit Prostitution hat das beileibe nichts zu tun. Allerdings ist dieses Vorhaben noch nicht in die

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