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Germania: Roman (German Edition)

Germania: Roman (German Edition)

Titel: Germania: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Gilbers
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Klein dabei erwischten, würde ihm die Todesstrafe blühen. Als ihm dieser Gedanke kam, bemerkte Oppenheimer, wie sehr sich in den letzten Wochen seine Lebensumstände geändert hatten. Durch die Morduntersuchung besaß er jetzt eine gewisse Autorität. Seine Ratschläge wurden gehört, er vergab sogar Aufträge, die vom Sicherheitsdienst ausgeführt wurden. Ihm war kaum noch bewusst gewesen, dass außerhalb des geschützten Raumes, den Vogler ihm bot, Juden wie er immer noch diskriminiert, verfolgt und abtransportiert wurden. Beschämt senkte er den Kopf.
    »Natürlich, das kann sein«, stimmte er zu. »Sie haben nichts dagegen, wenn ich eine andere Person darauf aufmerksam mache?«
    »Keineswegs«, murmelte Klein. »Schönen Tag noch.« Mit gesenktem Kopf stieg er die Treppe hinab. Oppenheimer registrierte dies kaum, da ihm eine neue Idee gekommen war. Er würde die Information dem Schweren Ede zukommen lassen. Ede hatte Leute an der Hand, die sich darum kümmern würden, den Keller leer zu räumen. Auf diese Weise hatte er seine Schulden bei ihm beglichen. Außerdem war es ihm wichtig, weiterhin einen guten Kontakt zum Schweren Ede zu haben. Man konnte schließlich nicht wissen, wann er wieder auf ihn zurückgreifen musste.

    Trotz der neuen Anhaltspunkte kamen sie den Rest der Woche mit ihrer Untersuchung kaum weiter. Die Tage vergingen quälend langsam. Vogler war unterwegs, um die Polizeibehörden unter Druck zu setzen, da niemand die Briefe des Mörders bislang zur Kenntnis genommen hatte. Entweder waren sie nie aufgetaucht oder unter einem Wust von unbearbeiteter Post vergraben.
    Während Oppenheimer im Wohnzimmer des Zehlendorfer Hauses erneut die Unterlagen durchging, war urplötzlich der Sommer über Berlin hereingebrochen. Bis Mittwoch war die Temperatur immer mehr gestiegen. Die Sonne wurde nicht länger von Wolken verhüllt und heizte ungehindert die Stadt auf. Oppenheimer war so mit der Ermittlung beschäftigt, dass er den Wetterumschwung zunächst nicht wahrgenommen hatte. Wenn er morgens nach Zehlendorf fuhr, war es gerade mal hell geworden, und wenn er wieder nach Hause fuhr, ging die Sonne meist schon wieder unter.
    Am Freitag beschloss Oppenheimer, bei diesem schönen Wetter einen kleinen Spaziergang in der Kameradschaftssiedlung zu unternehmen, doch er erkundete das Gelände zunächst nur halbherzig, achtete nicht richtig auf seine Umgebung, da ihm unablässig die Fakten des Falls im Kopf umherschwirrten. Bald merkte er, wie sehr ihm die Bewegung an der frischen Luft beim Nachdenken half. Die Kinder, die im Wald spielten, die Frauen, die den Garten bestellten oder die Mahlzeiten zubereiteten – dies alles erweckte den Anschein eines glücklichen, wohlgeordneten Lebens. Doch Oppenheimer wusste, dass die Häuser in dieser Gegend teuer erkauft waren.
    Er musste immer wieder an Reithermann denken. Die Frage, ob es eine Verbindung zum ersten Opfer, Christina Gerdeler, gab, ging ihm nicht aus dem Kopf. Doch das große Problem war bekanntlich, dass von Fräulein Gerdeler keine schriftlichen Dokumente existierten, in denen sie ihre Freier bei vollem Namen nannte. Bei der Durchsicht ihrer Aufzeichnungen hatte Oppenheimer immerhin Kosenamen gefunden und glaubte, nachweisen zu können, dass sie in den letzten zwei Jahren von insgesamt achtzehn Herren ausgehalten worden war. Einige von ihnen tauchten nur ein einziges Mal in ihren Aufzeichnungen auf, während sich vier Männer mehr oder weniger regelmäßig mit ihr getroffen hatten. Oppenheimer beschloss herauszufinden, wer diese Herren waren, insbesondere, ob Reithermann dazugehörte. Fräulein Gerdeler hatte in einer kleinen Wohnung am Bahnhof Friedrichstraße gewohnt. Ihre damalige Zimmergenossin, Lizzi Ebner, lebte immer noch dort.
    Vogler hatte sich seit Donnerstag nicht mehr blicken lassen. Das war auch besser so, denn Oppenheimer wollte keine schlafenden Hunde wecken. Vielleicht war er übervorsichtig, Vogler hatte schließlich versprochen, ihn in jeder Hinsicht zu unterstützen. Dennoch wusste er nicht, wie der Hauptsturmführer reagieren würde, wenn Oppenheimer gegen Reithermann ermittelte. Zum Glück war es kein Problem, eine Photographie des SS-Gruppenführers zu besorgen. Das einzige Bild in der Akte zum Fall Dufour, das das Opfer noch unter den Lebenden zeigte, war eine Aufnahme, die jemand während einer Feier gemacht hatte. Auf ihr saß Fräulein Dufour lächelnd neben Reithermann, der gerade Sekt in sich hineinkippte.
    Oppenheimer ließ

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