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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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des Getöses der Signale begann der Abstieg; die Schalen füllten sich, versanken, stiegen wieder herauf; der Schacht verschlang seine Ration von Häuern, Schlepperinnen, Handlangern, während die Stößer die Karren mit donnerndem Getöse fortschoben.
    »Donner Gottes! was treibst du da?« rief Chaval Katharina zu, die wartete, bis sie an die Reihe komme. »Wirst du anfahren und nicht länger Maulaffen feil haben!«
    Als Frau Hennebeau um neun Uhr mit Cäcilie in ihrer Kalesche ankam, fand sie Luzie und Johanna bereit, sehr elegant trotz ihrer zwanzigmal ausgebesserten Toiletten. Doch Deneulin war erstaunt, als er Negrel erblickte, der die Kalesche zu Pferde begleitet hatte. Wie? Gehörten denn auch Herren zur Partie? Da erklärte Frau Hennebeau in ihrer mütterlichen Weise, daß man sie erschreckt habe, die Straßen seien voll allerlei verdächtiger Gestalten und sie habe deshalb einen Verteidiger mitnehmen wollen. Negrel lachte und beruhigte die Damen; es sei nichts zu befürchten von diesen Schreiern, unter denen kein einziger den Mut habe, einen Stein nach einem Fenster zu schleudern. Noch froh über seinen Erfolg, erzählte Deneulin, wie er in Jean-Bart den Aufstand unterdrückt habe. Jetzt sei er beruhigt. Während die Fräulein in den Wagen stiegen, der auf der nach Vandame führenden Straße hielt, freuten sich alle des herrlichen Tages und ahnten nichts von dem immer mehr anwachsenden Erzittern der fernen Landschaft, nichts von dem heranziehenden Volke, dessen Anstürmen sie hätten hören können, wenn sie das Ohr an die Erde gedrückt hätten.
    »Also abgemacht«, wiederholte Madame Hennebeau. »Heute abend holen Sie die Fräulein ab und essen bei uns. Auch Frau Grégoire hat mir versprochen, Cäcilie abzuholen.«
    »Rechnen Sie auf mich«, antwortete Deneulin.
    Die Kalesche fuhr in der Richtung nach Vandame; Johanna und Luzie hatten sich zum Wagen hinausgeneigt, um noch einmal ihrem Vater zuzulächeln, der am Rande der Straßen stehen geblieben war, während Negrel galant hinter dem Wagen dahintrabte.
    Man kam durch den Wald und schlug den von Vandame nach Marchiennes führenden Weg ein. Als man sich dem Tartaret näherte, fragte Johanna Frau Hennebeau, ob sie die »grüne Halde« kenne; diese mußte bekennen, daß sie, obgleich sie seit fünf Jahren in der Gegend wohne, niemals nach dieser Richtung gekommen sei. Da machte man einen Umweg. Der am Waldessaum gelegene Tartaret war ein unbebauter Landstrich von vulkanischer Unfruchtbarkeit, wo seit Jahrhunderten ein Kohlenbrand im Innern des Erdreiches wütete. Der Ursprung dieses Feuers verlor sich in sagenhaft ferne Zeiten; die Bergleute der Gegend erzählten darüber eine Geschichte. Das Feuer des Himmels war aus den Eingeweiden der Erde über dieses Sodom gekommen, wo die Schlepperinnen sich abscheulichen Lastern hingaben, so daß sie nicht Zeit hatten emporzusteigen und noch heutigestages in der Tiefe dieser Hölle brannten. Die dunkelroten verkalkten Felsen bedeckten sich mit Alaun wie mit einem Aussatz; am Rande der Sprünge gedieh der Schwefel, einer gelben Blume gleich. Die Kühnen, die des Nachts wagten, einen Blick in diese Schlünde zu werfen, versicherten, dort Flammen gesehen zu haben, die sündigen Seelen, die in der unterirdischen Glut brieten. Irrlichter huschten knapp am Boden dahin, heiße Dünste brachen unablässig hervor und führten den Gestank der Teufelsküche mit sich. Gleich einem Wunder ewigen Lenzes erhob sich inmitten dieses verwünschten Landstriches von Tartaret die »grüne Halde« mit ihrem ewig grünen Rasen, ihren Buchen, deren Laub sich unaufhörlich erneuerte, ihren Feldern, wo es in einem Jahre drei Ernten gab. Es war ein natürliches Treibhaus, durch den Brand der tiefen Schichten unablässig geheizt. Der Schnee war hier niemals von Dauer. Dieser riesige Strauß von Grün --- neben den entlaubten Bäumen des Waldes --- entfaltete sich an diesem Dezembertage, ohne daß der Frost auch nur seine Ränder gerötet hätte.
    Bald rollte die Kalesche wieder in der Ebene dahin. Negrel scherzte über die Legende und erklärte, wie infolge der Gärung des Kohlenstaubes sehr häufig ein Grubenbrand entstehe, der ohne Ende fortdauere, wenn man ihn nicht zu bewältigen vermöge. Er nannte eine belgische Grube, die man ersäufte, indem man einen Fluß in den Schacht leitete. Doch er schwieg jetzt still; seit einer Weile kreuzten den Wagen jeden Augenblick Rotten von Bergleuten. Sie zogen schweigend mit hämischen Blicken vorüber,

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