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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Johanna aufnehmen, und alle zusammen wollten nach Marchiennes fahren und bei der Gemahlin des Direktors der Eisenwerke frühstücken. Man wollte die Gelegenheit benützen, um die Werkstätten, die Hochöfen und die Koksöfen zu besichtigen.
    »Gewiß, wir bleiben zu Hause«, erklärte Johanna ihrerseits.
    Allein der Vater wurde böse.
    »Welch Einfall! Ich wiederhole euch, es ist nichts ... Seid so gut, schlüpft wieder in eure Betten und kleidet euch für neun Uhr an, wie es verabredet wurde.«
    Er küßte sie und eilte davon. Man hörte den Schall seiner Schritte, die sich auf dem hartgefrorenen Boden des Gartens allmählich verloren.
    Johanna verkorkte sorgfältig die Rumflasche, während Luzie den Zwieback unter Verschluß tat. Der Raum hatte die kühle Sauberkeit solcher Speisezimmer, wo die Tafel kärglich bestellt ist. Da die Schwestern schon so früh heruntergekommen waren, hielten sie Umschau, ob auch gestern abend alles in Ordnung gebracht sei. Sie fanden ein Tafeltuch; der Diener konnte eines Verweises sicher sein. Endlich gingen sie wieder hinauf.
    Während Deneulin, um seinen Weg abzukürzen, die geraden Wege seines Gemüsegartens durchschritt, dachte er an sein gefährdetes Vermögen, an diesen Anteil von Montsou, an diese Million, die er zu Geld gemacht hatte in der Hoffnung, sie zu verzehnfachen, und die jetzt so stark aufs Spiel gesetzt war. Es war eine ununterbrochene Reihe von ungünstigen Umständen eingetreten, unvorhergesehene große Ausbesserungen, verderbliche Ausbeutungsbedingungen, dann das Unglück dieser industriellen Krise gerade in dem Augenblicke, wo das Unternehmen einen Ertrag zu liefern begann. Wenn der Streik auch bei ihm ausbrach, lag er am Boden. Er stieß eine kleine Tür auf: man erkannte die Grubenbauten in der finstern Nacht an dem noch tieferen Schatten, der durch einige Laternen nur wenig erhellt war.
    Jean-Bart hatte nicht die Bedeutung des Voreux, doch war es infolge der erneuten Einrichtung eine »ganz hübsche Grube« geworden, wie die Ingenieure sich ausdrückten.
    Man hatte sich nicht damit begnügt, den Schacht um anderthalb Meter zu verbreitern und auf siebenhundertacht Meter zu vertiefen; man hatte ihn auch neu eingerichtet, mit einer neuen Maschine, neuen Schalen, einem neuen Material versehen, alles nach den neuesten Errungenschaften der Wissenschaft. Die Bauten zeigten sogar eine gewisse Eleganz; der Sichtungsschuppen trug ein zierlich geformtes Vordach, der Schachtturm war mit einer Uhr versehen; das Maschinenhaus und der Aufnahmeraum hatten ein rundes Haubendach nach Art der im Renaissancestil erbauten Kapellen, und der Schlot darauf, aus schwarzen und roten Ziegeln erbaut, glich einer Mosaikspirale. Die Pumpe war bei dem andern Schachte des Werkes aufgestellt, bei der Gaston-Marie-Grube, die bloß als Schöpfwerk diente; Jean-Bart hatte rechts und links zwei Schächte; der eine war für den Dampfventilator, in dem andern waren die Steigleitern aufgestellt.
    An diesem Morgen war Chaval um drei Uhr als erster angelangt. Er machte sich sogleich daran, die Kameraden zu verführen; man müsse dem Beispiele jener von Montsou folgen und eine Preisaufbesserung von fünf Centimes für jede Karre fordern. Die vierhundert Arbeiter, die anfahren sollten, strömten aus der Baracke alsbald unter großem Geschrei und mit heftigen Bewegungen nach dem Aufnahmesaal. Die arbeiten wollten, standen barfüßig da mit ihrer Lampe, Schaufel oder Spitzhacke unter dem Arme; während die anderen noch in Holzschuhen und mit dem Überrock auf den Schultern, um sich gegen die Kälte zu schützen, den Zugang zum Schachte verstellten; die Aufseher schrien sich heiser in dem Bemühen, Ordnung zu machen, sie zur Vernunft zu bringen und, die anfahren wollten, nicht daran zu hindern.
    Doch Chaval geriet in Wut, als er Katharina in Hose und Kittel erblickte, den Kopf mit der blauen Haube bekleidet. Er hatte, als er aufstand, ihr in rauher Weise befohlen, zu Bett zu bleiben. Verzweifelt wegen dieser Arbeitsruhe, war sie ihm dennoch gefolgt; denn er gab ihr niemals Geld, sie mußte oft für sich und für ihn zahlen. Was sollte aus ihr werden, wenn sie kein Geld mehr erwarb? Eine Angst ergriff sie; die Angst, in einem Freudenhause zu Marchiennes zu enden wie alle Schlepperinnen, die kein Brot und kein Obdach hatten.
    »Zum Teufel! Was hast du hier zu suchen?«
    Sie habe kein Geld und wolle arbeiten, brachte sie stotternd hervor.
    »Dirne, du willst dich mir widersetzen?... Fort, nach Hause, wenn du

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