Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
er die Wärme und den Geruch der Unzucht, gleichsam den lebendigen Ehebruch in den noch vollen Töpfen und Waschbecken wieder, in dem Durcheinander des Linnens, der Möbel, des ganzen, vom Laster durchseuchten Zimmers. In seiner ohnmächtigen Wut stürzte er sich auf das Bett und hieb mit den Fäusten darauf ein; er bearbeitete besonders die Stellen, wo er den Eindruck ihrer beiden Körper sah, wütend über die zerknüllten und losgerissenen Bettücher, die weich und träge seine Hiebe empfingen, gleichsam erschöpft infolge der Liebesnacht.
    Doch plötzlich glaubte er Hippolytes Schritte zu hören, der wieder heraufkam. Ein Gefühl der Scham ließ ihn innehalten. Er stand eine Weile keuchend da, trocknete seine Stirne, suchte sein stürmisch pochendes Herz zu beruhigen. Vor einem Spiegel stehend betrachtete er sein Gesicht, das so verstört war, daß er es nicht erkannte. Nachdem er in einer äußersten Anstrengung seines Willens sich allmählich beruhigt hatte, ging er hinunter.
    Unten harrten fünf Boten außer Dansaert. Sie überbrachten ihm immer ernster lautende Nachrichten über den Zug der Streikenden durch die Gruben; der Oberaufseher erzählte ihm lang und breit, was in der Mirougrube geschehen, und wie sie selbe durch die tapfere Haltung des Vaters Quandieu gerettet hätten. Er hörte ihnen zu und nickte mit dem Kopfe; aber er verstand sie nicht, seine Gedanken waren oben in dem Zimmer. Endlich entließ er sie mit der Erklärung, daß er seine Maßnahmen treffen werde.
    Als er wieder allein vor seinem Schreibpulte saß, schien er mit offenen Augen zu schlafen, das Haupt auf die Hände gestützt. Die Post lag vor ihm; er entschloß sich endlich, den erwarteten Brief hervorzusuchen, die Antwort der Verwaltungsräte. Anfänglich hüpften die Zeilen vor seinen Augen; aber schließlich begriff er, daß die Herren einen Rummel wünschten; sie geboten ihm nicht, es zum äußersten kommen zu lassen, aber sie ließen durchblicken, daß die Unruhen das Ende des Streiks beschleunigen müßten, indem sie das Einschreiten der bewaffneten Macht herbeiführen würden. Da zögerte er nicht länger; er sandte Depeschen nach allen Seiten, an den Präfekten von Lille, die Truppenabteilung von Douai, die Gendarmerie von Marchiennes. Es brachte ihm Erleichterung, er konnte sich einschließen; ja, er setzte das Gerücht in Umlauf, daß er die Gicht habe. So blieb er den ganzen Nachmittag in seinem Arbeitszimmer verborgen, empfing niemanden und begnügte sich, die Depeschen und Briefe zu lesen, die immer zahlreicher einliefen. So konnte er aus der Ferne den Zug der Bande verfolgen, vom Magdalenenschachte nach Crèvecoeur, von Crèvecoeur nach der Siegesgrube, von dort nach Gaston-Marie. Von anderer Seite meldete man ihm die Ratlosigkeit der Gendarmen und Dragoner, die sich unterwegs verirrt hatten und den angegriffenen Gruben immer den Rücken kehrten. Seinethalben konnten sie sich morden und alles zerstören; er hatte den Kopf zwischen seinen Händen begraben, die Finger vor den Augen, und versenkte sich in die tiefe Stille des leeren Hauses, in dem er nichts anderes hörte, als von Zeit zu Zeit das Geräusch der Schüsseln der Köchin, die mit der Zubereitung des Abendessens vollauf beschäftigt war.
    Die Abenddämmerung verdunkelte bereits das Zimmer, es war fünf Uhr, als ein Lärm Herrn Hennebeau, der wie betäubt über seinen Papieren brütete, plötzlich auffahren ließ. Er glaubte, die beiden Elenden seien zurückgekehrt. Allein der Lärm ward immer größer, und ein furchtbarer Schrei erscholl in dem Augenblicke, als er ans Fenster trat.
    »Brot! Brot! Brot!«
    Es waren die Streikenden, die Montsou besetzten, währcnd die Gendarmen nach der Voreuxgrube galoppierten, weil es hieß, daß diese angegriffen sei.
    Zwei Kilometer von den letzten Häusern von Montsou, ein wenig unterhalb der Wegkreuzung, wo die Heerstraße und der Weg nach Vandame sich schnitten, hatten Frau Hennebeau und die Fräulein die Bande vorbeiziehen sehen. Sie hatten in Marchiennes den Tag sehr fröhlich zugebracht; es gab ein sehr angenehmes Frühstück bei dem Direktor des Eisenwerkes; ihm folgte ein interessanter Besuch in den Werkstätten und in einer benachbarten Glasfabrik; damit wurde der Nachmittag ausgefüllt; als man endlich in der Dämmerung des klaren Wintertages den Heimweg antrat, hatte Cäcilie den Einfall, daß man in einem Pachthofe, der am Wegsaume stand, eine Schale Milch trinken solle. Da verließen denn die Damen die Kalesche,

Weitere Kostenlose Bücher