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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Hindernisse schützten den Zugang, die erstickende Hitze des Pumpschachtes, ein hundertzwanzig Meter langer Abstieg, der sehr gefährlich war; dann folgte eine Viertelstunde lang ein mühseliges Kriechen auf dem Bauche zwischen den engen Wänden der Galerie, bis man die mit geraubten Sachen angefüllte Diebeshöhle entdeckte. Da lebte er im Überflusse; er hatte Wachholderbranntwein, den Rest des geräucherten Fisches, Vorräte aller Art da gefunden. Das große Heulager war vortrefflich; man verspürte keinen Luftzug in dieser mäßigen Temperatur, welche die Wärme eines Bades hatte. Nur das Licht drohte zu mangeln. Johannes, der sein Versorger war und dahei die Vorsicht und Verschwiegenheit eines Wilden entfaltete, der glücklich ist, den Gendarmen eine Nase zu drehen, brachte ihm alles, selbst Pomade, nur ein Bündel Kerzen konnte er nicht verschaffen.
    Nach dem fünften Tage machte Etinne[[?] Etienne] nur mehr Licht, um zu essen. Die Bissen wollten nicht hinunter, wenn er sie im Finstern verschlang. Diese unendliche, vollständige, immer gleich schwarze Nacht war sein großes Leid. Es nützte nichts, daß er in Sicherheit schlief, mit Brot versorgt war, gut warm hatte: niemals hatte die Nacht so schwer auf seinem Schädel gelastet; ihm war, als erdrücke sie seine Gedanken selbst. Er lebte jetzt von Diebstählen. Trotz seiner kommunistischen Anschauungen erwachte in ihm die anerzogenen Bedenken; er begnügte sich mit trockenem Brote und beschnitt seine Portion. Aber was sollte er anfangen? Er mußte doch leben; seine Aufgabe war noch nicht erfüllt. Noch eine andere Scham bedrückte ihn: die Gewissensbisse über seine wilde Trunkenheit, über den Wacholderbranntwein, den er wegen der großen Kälte in seinen Magen gegossen hatte und der ihn dann -- mit dem Messer in der Hand -- gegen Chaval trieb. Dies rüttelte in ihm das Entsetzen vor etwas Unbekannten auf, das Erbübel, die von Generationen überkommene Belastung des Säuferwahnsinns, dem ein Tropfen Alkohol genügte, um in tolle Mordlust zu verfallen. Sollte er als Mörder enden? Als er sich hier in dieser tiefen Stille der Erde in Sicherheit sah, hatte er -- gleichsam von Gewalttätigkeit gesättigt -- zwei Tage lang in dumpfem Schlafe dagelegen wie ein Tier, das, nachdem es sich vollgefressen, regungslos daliegt. Sein Mißbehagen dauerte fort; er lebte wie zerschlagen mit bitterem Munde und wüstem Kopfe wie nach einer furchtbaren Schwelgerei. So verfloß eine Woche; die Maheu, die von seinem Schlupfwinkel wußten, konnten ihm keine Kerze senden; er mußte auf das Licht verzichten selbst bei seinen kärglichen Mahlzeiten.
    Etienne blieb jetzt oft stundenlang auf seinem Heulager ausgestreckt. Ihn suchten unklare Gedanken heim, von denen er sich frei geglaubt hatte. Es war ein Gefühl der Überlegenheit, das ihn von seinen Kameraden trennte; eine Begeisterung für seine Person, die in dem Maße wuchs, als seine Kenntnisse zunahmen. Niemals hatte er so viel nachgedacht; er fragte sich, weshalb sein großer Abscheu nach dem wilden Zuge durch die Gruben gewesen, und er wagte nicht, sich die Frage zu beantworten, die Erinnerungen widerstrebten ihm: die Niedrigkeit der Begierden, die Roheit der Instinkte, der Geruch all dieses Elends, das ins Freie getragen worden. Trotz der Qual der Finsternis fürchtete er die Stunde, da er in das Arbeiterdorf zurückkehren sollte. Welch' ein widriger Anblick, diese Armen und Elenden, die in dem gemeinsamen Bottich lebten! Kein einziger, mit dem man ernstlich von Politik reden konnte; ein wahres Tierleben; immer dieselbe erstickende, von Zwiebelgestank erfüllte Luft! Er wollte ihren Gesichtskreis erweitern, sie zum Wohlstand und zu den guten Manieren der Bürgerklasse erziehen, indem er Herren aus ihnen machte. Aber wie lange werde es dauern! Er fühlte nicht mehr den Mut in sich, den Sieg in diesem Hungerbagno abzuwarten. Die Eitelkeit, ihr Oberhaupt zu sein, seine beständige Sorge, an ihrer Statt zu denken, sie verließen ihn allmählich, und es erfüllte ihn die Seele eines jener Spießbürger, die er so sehr verachtete.
    Johannes brachte eines Abends ein Stück Kerze, das er aus der Laterne eines Kärrners gestohlen hatte. Das war für Etienne eine große Erleichterung. Wenn die Finsternis ihm schließlich die Gedanken verwirrte, so schwer auf seinem Schädel lastete, daß er schier verrückt ward, zündete er einen Augenblick sein Stückchen Kerze an; wenn der Alpdruck verscheucht war, löschte er das Licht aus, mit dem

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