Germinal
Aufnahmesaale, fürchtete Katharina die bösen Reden der Kameraden. Kaum eingetreten, erkannte sie Chaval mitten in einer Gruppe von etwa zwanzig Bergleuten, die warteten, bis eine Schale frei werde. Er kam mit wütender Miene auf sie zu, doch hielt der Anblick Etiennes ihn zurück. Er tat, als wolle er sie verhöhnen, wobei er geringschätzig die Achseln zuckte. Schon gut; er mache sich nichts aus der Sache, wenn der andere den noch warmen Platz eingenommen habe. Er selbst sei dadurch eine schöne Last losgeworden. Es gehe den Herrn an, wenn er die Überreste liebe. Während er diese Mißachtung zur Schau trug, zitterte er vor Eifersucht, und seine Augen flammten. Die Kameraden rührten sich nicht, sondern standen stumm mit gesenkten Augen da; sie begnügten sich, die Neuangekommenen von der Seite anzublicken; dann schauten sie traurig, aber ohne Groll wieder nach der Schachtmündung mit der Lampe an der Hand, zitternd in dem dünnen Leinenkittel bei dem fortwährenden Luftzuge des großen Saales.
Endlich setzte sich die Schale in ihren Ankern fest, und man rief ihnen zu einzusteigen. Etienne und Katharina drängten sich in einen Karren, wo schon Pierron mit zwei Häuern Platz genommen hatte. Nebenan im andern Karren sagte Chaval laut zu Mouque, es sei nicht recht, daß die Direktion nicht die Gelegenheit benutze, die Gruben von den Schnapphähnen zu befreien, welche sie beschmutzten. Doch der Stallknecht, der sich wieder in sein Hundeleben gefügt hatte, grollte nicht mehr wegen des Todes seiner Kinder und antwortete mit einer Gebärde der Versöhnung.
Die Schale hakte sich los, man versank in der Dunkelheit. Niemand sprach. Plötzlich -- man hatte etwa zwei Drittel der Fahrt gemacht -- gab es ein furchtbares Streifen. Die Eisenbestandteile krachten, die Männer wurden aufeinander geschleudert.
»Donner Gottes!« brummte Etienne, »wollen sie uns plattdrücken lassen? Bei dieser verdammten Verzimmerung werden wir einmal alle die Knochen hier lassen. Und sie sagen noch, daß sie sie hätten ausbessern lassen.«
Indes war die Schale durch das Hindernis hindurchgekommen. Sie fuhr jetzt unter einem so heftigen Sturzregen hinab, daß die Arbeiter geängstigt diesen rauschenden Strom hörten. Es mußten wieder neue Risse in der Verdämmung entstanden sein.
Pierron, der schon seit einigen Tagen arbeitete, wurde befragt; aber er wollte seine Furcht nicht zeigen, weil man sie als einen Angriff auf die Direktion hätte deuten können. Er sagte also:
»Es besteht keine Gefahr! Das ist immer so. Sicher hat man nicht Zeit gehabt, die Risse zu verstopfen.«
Über ihren Häuptern brauste der Strom; sie kamen in einer wahrhaftigen Wasserhose auf dem Grunde des Schachtes an. Kein Aufseher war auf den Gedanken gekommen, durch den Leiternschacht aufzusteigen und sich von der Sachlage zu überzeugen. Die Pumpe werde genügen, sagten sie; die nächste Nacht würden die Zimmerleute kommen, um die Risse zu untersuchen. Die Neueinrichtung der Arbeit in den Galerien gab genug zu tun. Der Ingenieur hatte entschieden, daß, ehe die Häuer zu den Schlägen zurückkehrten, in den ersten fünf Tagen gewisse unaufschiebliche Befestigungsarbeiten durchzuführen seien. Auf allen Seiten drohten Einstürze; die Gänge hatten dermaßen gelitten, daß die Verzimmerung in der Länge von hunderten von Metern ausgebessert werden mußte. Man bildete daher Gruppen von je zehn Männern, jede Gruppe unter Führung eines Aufsehers und geleitete sie nach jenen Stellen, die am meisten Schaden gelitten hatten. Als der Abstieg beendigt war, zählte man, daß dreihundertzweiundzwanzig Arbeiter angefahren waren, ungefähr die Hälfte von jener Zahl, die arbeitete, wenn die Grube voll ausgebeutet wurde.
Chaval gehörte zu der Gruppe, der Etienne und Katharina zugeteilt waren; es war keineswegs zufällig geschehen. Er hatte sich anfänglich hinter die Kameraden versteckt und dann den Aufseher genötigt, ihn dieser Gruppe zuzuteilen. Sie begab sich an das Ende der Nordgalerie, etwa drei Kilometer weit, um dort einen Einsturz wegzuräumen, der den Eingang eines Stollens verlegte. Man machte sich mit Spitzhacke und Schaufel an die Wegräumung, während Katharina mit zwei Schlepperjungen den Schutt zur schiefen Ebene abführte. Es wurde wenig gesprochen; der Aufseher verließ die Arbeiter keinen Augenblick. Indessen waren die beiden Verehrer der Schlepperin bald auf dem Punkte, sich gegenseitig Hiebe zu verabreichen. Der frühere Liebhaber brummte zwar, er wolle
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