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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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hundertachtzig Meter tief herab, während des Falles wiederholt an die Wände aufschlagend. Pierron und die anderen Verlader konnten noch rechtzeitig zur Seite springen, der schwere Eichenpfosten zertrümmerte nur einen leeren Karren. Zu gleicher Zeit gab es einen Wassersturz; es schoß dicht hervor, wie bei einem durchbrochenen Damm. Dansaert wollte hinauf, um zu schauen; aber er sprach noch, als ein zweiter Balken herunterstürzte. In seinem Schrecken zögerte er angesichts der drohenden Katastrophe nicht länger und gab das Signal zur Auffahrt; gleichzeitig sandte er die Aufseher nach allen Richtungen aus, um die Leute auf den Werkplätzen zu benachrichtigen.
    Jetzt folgte ein furchtbares Hasten und Drängen. Aus allen Galerien kamen Züge von Arbeitern im Eilschritt an und stürzten sich auf die Aufzugsschalen. Man rang auf Tod und Leben, um früher hinaufgeschafft zu werden. Einige, die auf den Einfall gekommen waren, durch den Leiternschaft aufzusteigen, kamen mit dem Rufe zurück, der Weg sei dort schon versperrt. Nach jeder Auffahrt einer Schale gab es neues Entsetzen: diese konnte noch hinauf; wer weiß, ob auch die nächste noch hinaufkam durch alle die Hindernisse, die den Schacht verlegten? Der Zusammenbruch oben schien fortzudauern; man hörte eine ganze Reihe von dumpfen Schlägen; es waren die gespaltenen Hölzer, die unter dem andauernden und wachsenden Rauschen der Wässer platzten. Eine Schale wurde bald außer Gebrauch gesetzt; sie glitt nicht mehr zwischen den Leitpfosten, ohne Zweifel war sie gebrochen. Die andere streifte dermaßen an die Wände, daß ein Reißen der Kabel zu befürchten war. Aber es waren noch etwa hundert Leute hinaufzuschaffen, und alle röchelten in Todesangst und klammerten sich aneinander, vom Wasser durchtränkt, mit Blut bedeckt. Zwei wurden von herabstürzenden Balken erschlagen; ein dritter, der sich an die Schale geklammert hatte, fiel aus einer Höhe von fünfzig Metern herunter und verschwand in der Senkgrube.
    Dansaert bemühte sich indessen, Ordnung zu schaffen. Mit einer Spitzhacke bewaffnet, drohte er, dem ersten, der nicht gehorche, den Schädel einzuschlagen. Er wollte sie nach der Reihe aufstellen und rief, die Verlader würden zuletzt ausfahren, nachdem sie die Kameraden verladen hätten. Doch man hörte nicht auf ihn. Er hatte Pierron, der bleich und feige dastand, gewaltsam hindern müssen, mit den ersten auszufahren. Bei jedem Aufstieg mußte er ihn mit Hieben zurückjagen. Allein er selbst klapperte mit den Zähnen; noch eine Minute, und er war verschlungen; dort oben war alles geplatzt und geborsten, ein wilder Strom ergoß sich herab, dazwischen erfolgte ein mörderischer Sturz von Balken. Einige Arbeiter liefen eben noch herbei, als er wahnsinnig vor Furcht, in einen Karren sprang, wohin Pierron ihm folgte. Die Schale stieg auf.
    In diesem Augenblicke erschien die Gruppe Etiennes und Chavals beim Aufzug. Sie sahen die Schale verschwinden und stürzten hinzu; doch sie mußten zurückweichen, denn es stürzte der letzte Rest der Verzimmerung herab und verrammelte den Schacht. Die Schale konnte nicht mehr herniedersteigen. Katharina schluchzte, Chaval stieß fürchterliche Flüche aus. Es waren noch etwa zwanzig Arbeiter da; sollten diese Schweine von Vorgesetzten sie hier verlassen wollen? Vater Mouque, der das Pferd Bataille -- ohne Hast -- wieder zurückgeführt hatte, hielt das Tier am Halfter; beide, der Alte und der Gaul, waren verblüfft angesichts des rasch steigenden Wassers. Es reichte den Leuten jetzt bis zu den Schenkeln. Etienne stand mit zusammengepreßten Zähnen da und hob Katharina in seinen Armen empor. Die Zwanzig heulten und schauten hartnäckig und blöd nach dem Schachte, diesem einstürzenden Loche, das einen Strom spie und aus dem ihnen keine Hilfe kommen konnte.
    Als Dansaert an das Tageslicht gelangte, sah er Negrel herbeieilen. Verhängnisvollerweise hatte ihn heute, als er das Bett verließ, Frau Hennebeau damit aufgehalten, daß sie mit ihm Preiskataloge durchblätterte, um ihre Auswahl für die Hochzeitsgeschenke zu treffen. Es war schon zehn Uhr.
    »Was gibt's?« rief er von weitem.
    »Die Grube ist verloren«, rief der Oberaufseher.
    Er berichtete stammelnd die Katastrophe, während der Ingenieur ungläubig die Achseln zuckte. Ist es möglich, daß eine Verdämmung so aus Rand und Band gerät? Man übertrieb sicherlich; er wollte sich überzeugen.
    »Es ist doch niemand in der Grube geblieben?«
    Dansaert geriet in

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