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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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gab, um die Städte und die Menschen in die Luft zu sprengen. Wenn das sterbende Bürgertum bei jedem seiner Schritte den Boden wanken fühlt, ist es sein Werk!
     

Viertes Kapitel
    Noch in derselben Nacht, die dem Einstürze der Voreuxgrube folgte, war Herr Hennebeau nach Paris abgereist. weil er in Person die Verwaltungsräte von dem Unglück benachrichtigen wollte, noch ehe die Zeitungen die Nachricht brachten. Als er am nächsten Tage zurückkehrte, fand man ihn sehr ruhig mit der Miene eines stets vornehm auftretenden Direktors. Er hatte augenscheinlich seine Verantwortlichkeit entlastet, von der Gunst der Herren nichts eingebüßt; im Gegenteil; es wurde vierundzwanzig Stunden später die Verfügung unterzeichnet, die ihn zum Offizier der Ehrenlegion ernannte.
    Doch wenn der Direktor heil geblieben, so wankte die Gesellschaft unter dem furchtbaren Schlag. Nicht wegen der einigen Millionen, die sie verloren, sondern wegen der offenen Wunde in ihrer Flanke, wegen der dumpfen, unaufhörlichen Furcht vor dem kommenden Tage angesichts der Vernichtung einer ihrer Gruben. Sie war so schwer getroffen, daß sie wieder einmal das Bedürfnis fühlte, Stillschweigen zu beobachten. Was konnte es auch nützen, diese abscheulichen Geschichten aufzuwühlen? Warum sollte man aus dem Banditen --- wenn er schon entdeckt würde --- einen Märtyrer machen, dessen furchtbarer Heldenmut ein ganzes Geschlecht von Brandstiftern und Mördern erzeugen würde? Sie hatte übrigens keine Ahnung von dem wirklichen Schuldigen; sie glaubte schließlich, es habe ein ganzes Heer von Verschworenen gegeben, weil sie nicht annehmen konnte, daß ein einziger Mensch die Kühnheit und die Kraft zu einem solchen Zerstörungswerke gefunden; das war eben der Gedanke, der sie nicht zur Ruhe kommen ließ, der Gedanke, daß ihre Gruben fortan von einer immer größeren Gefahr bedroht seien. Der Direktor hatte die Weisung erhalten, ein ausgebreitetes Spioniersystem einzurichten, dann einzeln und unauffällig die gefährlichen Männer, die er im Verdachte habe, daß sie an dem Verbrechen mitbeteiligt seien, zu entlassen. Man begnügte sich mit dieser Säuberung, die man für einen Akt großer politischer Klugheit hielt.
    Der Oberaufseher Dansaert wurde augenblicklich entlassen. Seit dem Ärgernis mit Frau Pierron war er unmöglich geworden. Als Vorwand diente sein Verhalten in der Gefahr, die Feigheit des Führers, der seine Leute im Stiche läßt. Es war übrigens ein stillschweigendes Zugeständnis an die Grubenarbeiter, die ihn verabscheuten.
    Im Publikum hatten indessen gewisse Gerüchte Eingang gefunden, und die Direktion war genötigt, einer Zeitung eine Berichtigung zu senden, um die Behauptung zu widerlegen, daß die Ausständischen ein Pulverfaß hätten auffliegen lassen. Nach einer flüchtig durchgeführten Untersuchung kam der Regierungsingenieur in seinem Berichte zu dem Schlusse, daß man es mit einem natürlichen Bruche der Verzimmerung zu tun hatte, herbeigeführt durch eine Verschiebung des Erdreiches. Die Gesellschaft hatte es vorgezogen, zu schweigen und den Tadel wegen mangelhafter Aufsicht über sich ergehen zu lassen. Schon nach drei Tagen füllte die Katastrophe alle Pariser Blätter; man sprach nur mehr von den Arbeitern, die in den Gruben dem sicheren Untergang verfallen seien; die jeden Morgen veröffentlichen Depeschen wurden gierig verschlungen. In Montson selbst lebten die Bürger in bleicher Furcht; bei dem bloßen Namen »Voreux« erstarb ihnen das Wort in der Kehle; es bildete sich eine Legende, die selbst die Kühnsten nur zitternd und im Flüstertone weiter erzählten. Die ganze Gegend war von großem Mitleid für die Opfer ergriffen; es gab förmliche Wallfahrten zur verwüsteten Grube; ganze Familien wanderten herbei, um bei dem schrecklichen Anblicke der Trümmer zu erschauern, die so schwer auf den Köpfen der unglücklichen Begrabenen lasteten.
    Deneulin, zum Ableilungsingenieur ernannt, trat inmitten dieser Katastrophe sein Amt an. Seine erste Sorge war, den Kanal wieder in seinem Bette einzudämmen, denn dieser reißende Strom vergrößerte mit jeder Stunde die Beschädigungen. Große Arbeiten waren notwendig; etwa hundert Arbeiter wurden zur Herstellung eines Dammes verwendet. Zweimal wurden die ersten Verrammungen durch die Gewalt der Flut weggerissen. Dann stellte man Pumpen auf; es war ein erbitterter Kampf; Schritt für Schritt wurde der verlorene Boden wieder erobert.
    Noch weit größer ward der Eifer, der an

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