Germinal
hatte, konnte ihn nicht zum Gehorsam bringen; es war nur mehr ein Aufseher mit drei Bergleuten da. Ohne Zweifel hatte Zacharias, weil er ein schlechtes Licht hatte und wütend war über den flackernden Schein, der ihn in der Arbeit hinderte, die Unklugheit begangen, seine Lampe zu öffnen. Man hatte dies streng verboten, um schlagende Wetter zu verhüten; das Gas lagerte in einer enormen Masse in diesen engen, luftlosen Schläuchen. Plötzlich gab es einen Donnerschlag, und eine Feuergarbe schoß aus dem Schlauch hervor, wie aus dem Rohr einer Kanone. Alles flammte; die Luft entzündete sich wie Schießpulver, von einem Ende der Galerien bis zum andern. Dieser Flammenstrom riß den Aufseher und die drei Arbeiter mit sich fort, fuhr durch den Schlund empor und brach mit großer Gewalt hervor, Steine und Balkentrümmer weit umherstreuend. Die neugierig harrenden Leute ergriffen die Flucht; Frau Maheu erhob sich, das entsetzt aufschreiende Kind an ihre Brust drückend.
Als Negrel und die Arbeiter zurückkehrten, wurden sie von einem furchtbaren Zorn ergriffen. Sie stampften mit ihren Stiefelabsätzen die Erde, wie eine Stiefmutter, die in den blöden Launen ihrer Grausamkeit ihre Kinder tötet. Man opferte sich auf, um Kameraden zu Hilfe zu eilen, und nun mußte man noch mehr Leute verlieren! Nach drei Stunden mühseliger und gefahrvoller Arbeit konnte man endlich in die Galerien eindringen und die Opfer herausschaffen. Weder der Aufseher noch die Arbeiter waren tot; doch waren ihre Leiber mit furchtbaren Wunden bedeckt, die einen abscheulichen Geruch von verbranntem Fleisch verbreiteten. Sie hatten Feuer getrunken, das ihnen selbst die Kehlen verbrannte, stießen ein unablässiges Geheul aus und flehten, man möge ihnen den Rest geben.
Einer der drei Grubenarbeiter war jener Mann, der während des Streiks die Pumpe zu Gaston-Marie mit einem letzten Streiche seiner Hacke in Trümmer geschlagen hatte; die anderen hatten zerschundene Hände, weil sie Ziegelstücke nach den Soldaten geschleudert hatten. Die bleiche, bebende Menge entblößte das Haupt, als die Verunglückten vorübergetragen wurden.
Frau Maheu wartete aufrecht stehend. Endlich kam Zacharias' Leiche zum Vorschein; die Kleider waren verbrannt, der Körper unkenntlich, zu einem einzigen Stück verkalkter Kohle geworden. Der Kopf war nicht mehr da; er war infolge der Explosion verschwunden. Als man diese schaudererregenden Reste auf eine Tragbahre gelegt hatte, folgte die Maheu mechanisch, mit glühenden, tränenleeren Augen. Sie hielt die schlafende Estelle in den Armen und ging -- eine Schmerzensgestalt mit fliegenden Haaren -- davon. Als der traurige Zug im Dorfe ankam, war Philomene wie vom Donner gerührt; ihre Augen verwandelten sich in einen unversieglichen Tränenquell, und dies brachte ihr Erleichterung. Doch schon war die Mutter nach Réquillart zurückgekehrt; sie hatte dem Sohne das Geleit gegeben und kam jetzt zurück, um die Tochter zu erwarten.
Dann vergingen noch drei Tage. Unter unerhörten Schwierigkeiten hatte man das Rettungswerk wiederaufgenommen; die Rettungswege waren glücklicherweise infolge der schlagenden Wetter nicht eingestürzt; aber es herrschte darin eine so schlechte heiße Luft, daß man noch weitere Ventilatoren hatte aufstellen müssen. Alle zwanzig Minuten wurden die Häuer abgelöst. Die Arbeit machte Fortschritte, man war kaum mehr zwei Meter von den Kameraden getrennt. Allein, sie arbeiteten jetzt mit schwerem Herzen und hieben nur auf die Kohle los, um an ihr Rache zu nehmen; denn das Klopfen hatte aufgehört, der Anruf ließ nicht mehr seinen hellen, gemessenen Schall vernehmen. Man war am zwölften Arbeitstage und am fünfzehnten Tage nach der Katastrophe; und seit dem Morgen war eine Totenstille eingetreten. Der neuerliche Unglücksfall verdoppelte noch die Neugier der Bevölkerung von Montsou; die Spießbürger veranstalteten Ausflüge mit einem solchen Eifer, daß die Grégoire sich entschlossen, den übrigen zu folgen. Man vereinbarte einen Ausflug dahin, und es wurde bestimmt, daß sie in ihren Wagen nach dem Voreux fahren sollten, während Frau Hennebeau in dem ihrigen die Damen Luzie und Johanna Deneulin dahin bringen sollte. Herr Deneulin sollte ihnen seinen Werkplatz zeigen, dann wollte man über Réquillart zurückkehren, wo sie von Negrel erfahren würden, wie weit die Galerien gediehen seien und ob er noch immer Hoffnung habe. Am Abend werde man mitsammen speisen.
Als gegen drei Uhr die Grégoire und
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