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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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in dem Generalrat, wo jede Nation durch einen Sekretär vertreten war. Ehe sechs Monate vergingen, habe man die Erde erobert und den Herren Gesetze diktiert, wenn sie sich nicht willfährig zeigen sollten.
    »Nichts als Dummheiten«, wiederholte Suwarin. »Euer Karl Marx ist noch so weit, daß er die natürlichen Kräfte wirken lassen will. Keine Politik und keine Verschwörung, wie? Alles ganz offen und bloß zum Zwecke der Lohnerhöhungen ... Laßt mich in Frieden mit eurer Revolution! Zündet die Städte an allen vier Enden an, mäht die Völker nieder, rasiert alles weg; und wenn nichts mehr übrig ist von dieser verfaulten Welt, dann kommt vielleicht eine bessere an ihre Stelle.«
    Etienne begann zu lachen. Er hörte noch immer nicht auf die Worte seines Kameraden; diese Zerstörungstheorie schien ihm Großsprecherei. Rasseneur, der noch praktischer dachte als Etienne mit dem nüchternen Sinn eines Mannes, der sein Gewerbe hatte, regte sich nicht einmal auf. Er wollte bloß die Dinge genau feststellen.
    »Also du willst den Versuch machen, in Montsou eine Sektion zu gründen?«
    Das war der Wunsch Plucharts, des Sekretärs der Nordföderation. Er betonte ganz besonders die Dienste, die der Bund den Bergleuten leisten werde, wenn sie eines Tages streiken würden. Etienne war der Meinung, der Arbeiterausstand stehe nahe bevor; die Verzimmerungsfrage müsse schlimm enden; die nächste Forderung der Gesellschaft werde alle Schächte in Aufruhr versetzen.
    »Das Verdrießliche an der Sache sind die Mitgliedsbeiträge«, erklärte Rasseneur in einsichtigem Tone. »Fünfzig Centimes jährlich für den allgemeinen Fond und zwei Franken für die Sektion: das scheint sehr wenig, und dennoch wette ich, daß viele sich weigern werden, sie zu zahlen.«
    »Um so mehr,« fügte Etienne hinzu, »als man zunächst hier eine Aushilfskasse gründen müßte, aus der wir bei Gelegenheit eine Widerstandskasse machen ... Kurz und gut: es ist Zeit, an diese Dinge zu denken. Ich bin bereit, wenn die anderen bereit sind.«
    Stillschweigen trat ein. Auf dem Schanktische rauchte die Petroleumlampe. Durch die offene Tür hörte man das Geräusch, das ein Maschinenheizer im Voreuxschachte mit dem Nachlegen von Kohle machte.
    »Alles ist so teuer«, bemerkte Frau Rasseneur, die ebenfalls eingetreten war und mit düsterer Miene zuhörte, gleichsam höher emporgewachsen in dem schwarzen Kleide, das sie immer trug. Denken Sie sich, daß ich die Eier mit zweiundzwanzig Sous bezahlen mußte! ... Das kann nicht so fortgehen; das muß losbrechen!«
    Die drei Männer waren derselben Ansicht. Sie sprachen einer nach dem andern, mit trostloser Stimme, und das Klagen ging von neuem an. Der Arbeiter könne nicht länger bestehen, die Revolution habe sein Elend nur vergrößert; die Spießbürger mästen sich seit dem Jahre 89 so gefräßig, daß sie die Schüsseln blank lecken. Man frage einmal, ob die Arbeiter entsprechend teilgenommen haben an der außerordentlichen Bereicherung seit hundert Jahren? Man hat sie nur zum besten gehalten, indem man sie für frei erklärte; ja, sie haben die Freiheit, Hungers zu sterben, und davon machen sie auch Gebrauch. Das gibt ihnen noch kein Brot, daß sie für Kerle stimmen, die sich hinterher den Wanst füllen, ohne an diese Erbärmlichen mehr zu denken als an ihre alten Stiefel. Nein, man muß ein Ende machen in der einen oder anderen Weise, entweder gütlich durch Gesetze in freundschaftlichem Einvernehmen, oder gewaltsam, indem man alles niederbrennt und sich gegenseitig zerfleischt. Die Kinder würden es sicherlich erleben, wenn die Eltern es nicht erleben; denn das Jahrhundert könne nicht zu Ende gehen, ohne daß noch eine Revolution komme, diesmal die Revolution der Arbeiter, ein Umsturz, der die ganze Gesellschaft von oben bis unten hinwegfegen und sie neu aufbauen werde mit mehr Sittlichkeit und mehr Gerechtigkeit.
    »Es muß platzen!« wiederholte Frau Rasseneur energisch.
    »Ja, ja,« riefen alle drei, »es muß platzen!«
    Suwarin liebkoste jetzt die Ohren »Polens«, das vergnügt das Näschen rümpfte. Er sagte halblaut mit geschlossenen Augen, wie mit sich selbst sprechend:
    »Die Löhne erhöhen: ist das möglich? Sie sind durch ein ehernes Gesetz mit dem unerläßlich geringsten Betrage festgesetzt, mit genau soviel, wie notwendig ist, damit die Arbeiter trockenes Brot essen und Kinder machen ... Wenn die Löhne zu tief sinken, verrecken die Arbeiter, und die Nachfrage nach neuen Männern läßt

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