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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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sechshundert Grubenarbeiter da vor der kleinen Erhöhung, die man in einem Winkel der Baracke errichtet hatte. Die Versteigerung ging so rasch von statten, daß man nur ein dumpfes Stimmengewirr hörte, ein lautes Schreien von Ziffern, die durch andere Ziffern übertönt wurden.
    Einen Augenblick fürchtete Maheu, daß er keinen der vierzig Schläge, welche die Gesellschaft versteigerte, werde erstehen können. Alle Mitbewerber gingen mit den Preisen hinab, unruhig wegen der Krisengerüchte und eine Betriebseinstellung fürchtend. Angesichts des eifrigen Bewerbes beeilte sich der Ingenieur Negrel nicht sonderlich, ließ die Angebote bis zu den möglichst tiefen Preisen hinabsinken, während Dansaert, um die Dinge zu beschleunigen, sich in lügnerischen Anpreisungen der Käufer erging. Maheu hatte um seine fünfzig Meter einen heißen Kampf mit einem hartnäckigen Mitbewerber zu bestehen; sie führten diesen Kampf mit einem abwechselnden Nachlaß von einem Centime für die Karre, und Maheu blieb nur Sieger, indem er mit dem Lohne dermaßen hinunterging, daß der hinter ihm stehende Aufseher Richomme böse wurde und ihn mit dem Ellbogen stieß, indem er ihm wütend zuraunte, er könne bei diesem Preise unmöglich sein Auskommen finden.
    Als sie gingen, fluchte Etienne. Er brach los, als er Chavals ansichtig ward, der mit Katharina von den Getreidefeldern kam, während der Vater dem Brote nachging.
    »Herrgott!« rief er; »ist das ein Erwürgen von Menschen! ... Man zwingt die Arbeiter, sich untereinander aufzufressen.«
    Chaval ereiferte sich; er würde niemals nachgelassen haben. Zacharias, der aus Neugierde herbeigekommen war, erklärte, es sei ekelhaft. Doch Etienne brachte sie zum Schweigen, indem er mit wütender Gebärde ausrief:
    »Es wird ein Ende nehmen! Eines Tages werden wir die Herren sein!«
    Maheu, der seit der Versteigerung stumm geblieben, schien jetzt die Sprache gefunden zu haben.
    »Die Herren! ...« sagte er. »Es wäre schon an der Zeit!«
     

Zweites Kapitel
    Am letzten Sonntag des Monates Juli fand in Montsou das große Bergmannsfest statt. Schon Samstag abends scheuerten die Hausfrauen die Wohnstube; es gab hierbei eine wahre Sintflut, das Wasser wurde in großen Mengen über die Fliesen und an die Wände geschleudert; und der Fußboden war noch nicht trocken trotz des weißen Sandes, womit er bestreut worden. Es war ein großer Luxus für diese armen Leute. Der Tag kündete sich sehr heiß an; der Himmel war gewitterschwül, die Luft drückend, wie es zur Sommerszeit in den flachen Landschaften Nordfrankreichs häufig vorkommt.
    In der Familie Maheu beobachtete man wegen des Sonntags nicht so genau die Stunde des Aufstehens. Den Vater litt es schon um fünf Uhr nicht mehr im Bette, und er kleidete sich an; die Kinder hingegen schliefen bis neun Uhr. Heute ging Maheu in den Garten seine Pfeife rauchen und kehrte schließlich heim, um allein die Butterschnitte zu essen, bis die Kinder kommen würden. So verbrachte er den Vormittag, ohne recht zu wissen womit; er besserte den Bottich aus, der das Wasser durchließ, und klebte ein Bild des kaiserlichen Prinzen, das man den Kleinen geschenkt hatte, an die Kuckucksuhr. Mittlerweile kamen auch die anderen einzeln herunter; der Vater Bonnemort hatte einen Stuhl vor die Tür gestellt, um sich an die Sonne zu setzen; die Mutter und Alzire hatten sich beide in der Küche zu schaffen gemacht. Katharina erschien mit Leonore und Heinrich, die sie soeben angekleidet hatte; es schlug schon elf Uhr, und der Geruch des Kaninchens, das mit Kartoffeln gebraten wurde, erfüllte das ganze Haus, als endlich Zacharias und Johannes als letzte herunterkamen, gähnend, mit vom Schlafe trüben Augen.
    Das ganze Dorf war auf den Beinen, erfüllt von der Festesfreude und das Mittagessen beschleunigend, damit man sobald wie möglich nach Montsou abkommen könne. Scharen von Kindern trieben sich auf den Straßen herum; Männer in Hemdärmeln ergingen sich mit der Gemächlichkeit, die man sich an Ruhetagen gönnen durfte. Türen und Fenster standen bei dem schönen Wetter weit offen und gestatteten einen Einblick in die lange Zeile von Wohnstuben, wo die Familien in geräuschvollem Leben sich tummelten. Von einem Ende der Häuserreihe bis zum andern roch es nach Kaninchen; dieser Duft der wohlbestellten Küchen verdrängte heute den eingenisteten Geruch von geschmorten Zwiebeln.
    Schlag zwölf Uhr aßen die Maheu zu Mittag. Sie machten wenig Lärm inmitten des Geräusches

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