Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Tat fand er Levaque mit mehreren Kameraden bei einer Kegelpartie in dem hinter dem Wirtshause gelegenen schmalen Gärtchen. Vater Bonnemort und der alte Mouque standen dabei und folgten dem Lauf der Kugel, dermaßen vertieft, daß sie vergaßen, sich mit dem Ellbogen anzustoßen. Die Sonne sandte senkrecht ihre heißen Strahlen nieder; nur längs der Schenke war ein schmaler Streif Schatten. Auch Etienne war da, trank an einem Tische seinen Schoppen und war verdrossen, daß Suwarin ihn eben verlassen hatte, um nach seiner Stube hinaufzugehen. Fast jeden Sonntag schloß der Maschinist sich ein, um zu schreiten oder zu lesen.
    »Spielst du mit?« fragte Levaque Maheu.
    Dieser lehnte ab; ihm sei zu heiß, und er vergehe schier vor Durst.
    »Rasseneur, einen Schoppen!« rief Etienne.
    Zu Maheu gewendet, fügte er hinzu:
    »Den zahle ich.«
    Jetzt duzten sich alle untereinander. Rasseneur beeilte sich nicht, man mußte ihn dreimal rufen; schließlich brachte Frau Rasseneur ein warmes Bier. Der junge Mann hatte die Stimme gedämpft, um sich über das Haus zu beklagen; es seien brave, wohlgesinnte Leute, aber das Bier sei schlecht und die Suppen abscheulich! Er wäre schon zehnmal weggegangen, wenn er den weiten Weg nach Montsou nicht scheute. Er würde früher oder später bei einer Familie im Dorfe Unterkunft suchen.
    »Gewiß, in einer Familie bist du besser versorgt«, sagte Maheu in seiner bedächtigen Art.
    Doch jetzt erklang lautes Geschrei: Levaque hatte alle neun geschoben. Mouque und Bonnemort schauten unverwandt zu Boden; inmitten des allgemeinen Tumultes verharrten sie in ihrem stummen Beifall. Die Freude über den glücklichen Wurf äußerte sich in allerlei Scherzen, besonders als die Spieler das heitere Gesicht der Mouquette jenseits der Hecke erblickten. Seit einer Stunde lungerte sie hier herum; bei dem lauten Gelächter wagte sie sich näher heran.
    »Wie, du bist allein?« schrie Levaque. »Und deine Liebhaber?«
    »Meine Liebhaber habe ich zum Teufel geschickt; ich suche jetzt einen«, antwortete sie mit frechem Gelächter.
    Alle boten sich an, redeten ihr in derben Worten zu.
    Doch sie schüttelte den Kopf, lachte immer stärker und zierte sich. Ihr Vater stand dabei, unbekümmert um die ganze Szene, und ohne die Blicke von den umgeworfenen Kegeln wegzuwenden.
    »Geh', geh'« fuhr Levaque fort, einen Blick auf Etienne werfend, »man weiß wohl, nach wem du angelst, mein Kind ... Du mußt ihm Gewalt antun.«
    Das erheiterte Etienne. In der Tat verfolgte ihn die Schlepperin. Er weigerte sich; die Sache machte ihm Spaß, aber er hatte kein Verlangen nach ihr. Einige Minuten blieb sie noch hinter der Hecke stehen und blickte mit ihren großen Augen ihn starr an; dann entfernte sie sich langsam mit plötzlich verdüstertem Antlitz, gleichsam niedergedrückt durch die sengende Hitze.
    Etienne wandte sich wieder Maheu zu und fuhr fort, ihm halblaut die Notwendigkeit der Gründung einer Aushilfskasse für die Bergleute von Montsou auseinanderzusetzen.
    »Die Gesellschaft erklärt, daß sie uns volle Freiheit lasse; wir haben also nichts zu fürchten, wiederholte er. Wir haben nichts als ihre Ruhegehälter, und diese bemißt sie nach ihrem Belieben, da sie keine Pensionsabzüge macht. Wir sind demnach von ihrem guten Willen abhängig; so empfiehlt die Vorsicht, einen Verein zu gegenseitiger Unterstützung zu gründen, auf die wir im Falle eines dringenden Bedarfes wenigstens sicher rechnen können.«
    Er führte die Einzelheiten aus, erläuterte die Organisation, versprach, alle Mühe auf sich zu nehmen.
    »Ich bin dabei,« sagte Maheu endlich überzeugt; »suche die anderen zu bestimmen.«
    Levaque hatte gewonnen; man ließ das Kegelspiel und wandte sich dem Bier zu. Allein Maheu weigerte sich, einen zweiten Schoppen zu trinken; man werde später sehen, sagte er, der Tag sei noch nicht zu Ende. Er hatte eben an Pierron gedacht. Wo konnte Pierron sein? Ohne Zweifel in Lenfants Schenke. Er überredete Etienne und Levaque, und alle drei brachen nach Montsou auf, gerade in dem Augenblicke, da eine neue Partie die Kegelbahn in Besitz nahm.
    Unterwegs mußte man in Casimirs Weinstube und später im Wirtshause »Zum Fortschritt« Halt machen. Kameraden riefen sie durch die offenen Türen; es war nicht möglich, nein zu sagen. Jedesmal einen Schoppen, und wenn sie aus Höflichkeit ebenfalls einen zahlten, dann waren es zwei. Sie blieben zehn Minuten, tauschten einige Worte aus, dann gingen sie weiter und kehrten

Weitere Kostenlose Bücher