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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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was darin enthalten sei. Es kam ein zweiter und ein dritter, und jeder brachte eine andere Geschichte. Es schien indes sicher, daß die Gesellschaft einen Entschluß gefaßt habe.
    »Was sagst du dazu?« fragte Etienne, indem er sich zu Suwarin setzte, der nichts als ein Bündel Tabak auf dem Tische vor sich liegen hatte.
    Der Maschinist beeilte sich nicht mit der Antwort. Er drehte sich langsam eine Zigarette und entgegnete schließlich:
    »Es war leicht vorauszusehen; man wird euch zum äußersten drängen.«
    Er allein war scharfsinnig genug, die Lage zu deuten.
    Er erklärte sie ihnen in seiner ruhigen Art. Von einer Krise heimgesucht, sei die Gesellschaft genötigt, die Kosten zu vermindern, wenn sie nicht zusammenbrechen wolle; natürlich müßten zunächst die Arbeiter Opfer bringen; ihnen werde man unter irgendwelchem Vorwande die Löhne beschneiden. Seit zwei Monaten liege die Kohle aufgehäuft, fast alle Fabriken feierten. Da sie nicht auch ihrerseits den Betrieb einstellen wolle, weil die Untätigkeit des kostbaren Materials ihr verderblich werden könne, müsse sie an einen Ausweg denken, vielleicht an einen Streik, aus dem ihr Volk von Bergleuten bezwungen und mit verkürzten Löhnen hervorgehen werde. Endlich war sie auch durch die neue Unterstützungskasse beunruhigt; diese drohte eine Gefahr für die Zukunft zu werden, während ein Streik sie von ihr befreien werde, indem sie noch wenig kapitalskräftig durch den Arbeitsausstand bald geleert werde.
    Rasseneur hatte sich zu Etienne gesetzt, und beide hörten mit verstörten Mienen zu. Man konnte laut sprechen; es war niemand da außer Frau Rasseneur, die am Schanktische saß.
    »Welch Gedanke!« murmelte der Schankwirt. »Wozu all das? Die Gesellschaft hat kein Interesse an dem Streik, und die Arbeiter noch weniger. Es ist das beste, sich zu verständigen.«
    Das war sehr klug gesprochen. Er war stets für einen vernünftigen Ausgleich. Seit der schnellen Volkstümlichkeit seines ehemaligen Mieters übertrieb er noch dieses System des mäßigen Fortschritts, indem er sagte, man erlange gar nichts, wenn man alles auf einmal haben wolle. In die Gemütlichkeit eines wohlgenährten Bierwanstes mengte sich ein geheimer Neid, noch verschärft durch den Rückgang seiner Gastwirtschaft, welche jetzt die Bergleute vom Voreuxschachte seltener besuchten, um da zu trinken und ihm zuzuhören. So kam es, daß er manchmal sogar die Gesellschaft verteidigte, indem er den Groll eines ehemaligen entlassenen Grubenarbeiters vergaß.
    »Du bist also gegen den Streik?« rief Frau Rasseneur hinter ihrem Schankpulte.
    Als er ein energisches Ja zur Antwort gab, hieß sie ihn schweigen.
    »Du hast keinen Mut; laß die Herren reden!«
    Etienne saß nachdenklich hinter dem Schoppen, den sie ihm gebracht hatte. Endlich schaute er auf.
    »Was der Kamerad da sagt, ist sehr wohl möglich, und wir werden uns zum Streik entschließen müssen, wenn man uns dazu zwingt. Pluchart hat mir darüber in seinem letzten Briefe sehr vernünftige Ratschläge gegeben. Auch er ist gegen den Streik; denn der Arbeiter leidet darunter geradeso wie der Arbeitgeber, ohne zu etwas Entscheidendem zu gelangen. Allein er erblickt darin eine vortreffliche Gelegenheit, um unsere Leute zum Eintritt in seinen Bund zu stimmen ... Doch hier sein Brief.«
    Trostlos wegen des Mißtrauens, dem die Internationale bei den Bergleuten von Montsou begegnete, hoffte Pluchart in der Tat auf einen massenhaften Anschluß von ihrer Seite in dem Falle, daß ein Konflikt sie nötige, den Kampf mit der Gesellschaft aufzunehmen. Trotz seiner Bemühungen hatte Etienne nicht eine einzige Mitgliedskarte an den Mann bringen können; er ließ übrigens den Hauptteil seines Einflusses der von ihm gegründeten Unterstützungskasse zugutekommen, die eine weit bessere Aufnahme fand. Allein diese Kasse war noch so arm, daß sie bald erschöpft sein mußte, wie Suwarin sagte, und die Ausständigen würden sich dann unabwendbar dem Arbeiterbunde in die Arme werfen, damit ihre Brüder aus allen Ländern ihnen zu Hilfe kämen.
    »Wieviel haben Sie in der Kasse?« fragte Rasseneur.
    »Kaum dreitausend Franken«, erwiderte Etienne. »Vorgestern hat die Direktion mich rufen lassen. Sie sind sehr höflich; sie erklärten mir wiederholt, daß sie ihre Arbeiter nicht hindern würden, sich einen Reservefonds zu gründen. Aber ich merkte wohl, daß sie die Kontrolle darüber haben möchten ... In allen Fällen haben wir von dieser Seite einen Kampf

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