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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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angerauchten Grau der Wand grell abstach. Vor dem Kassenschalter und dem Anschlagzettel zogen die Arbeiter seit dem Morgen in ununterbrochener Folge vorbei. Sie kamen zu zweien oder dreien, standen eine Weile und gingen dann wortlos weiter, die Achseln zuckend, als habe man ihnen das Rückgrat gebrochen.
    Vor dem Anschlagzettel standen eben zwei Bergleute, ein junger mit einem viereckigen Tierschädel und ein alter, ganz magerer, schon dumm im Gesichte. Weder der eine noch der andere konnte lesen; der junge buchstabierte, die Lippen bewegend, der alte begnügte sich blöd dreinzuschauen. Viele kamen so herein, nur um zu schauen, ohne die Sache zu verstehen.
    »Lies uns das vor«, sagte Maheu seinem Gefährten, weil er im Lesen nicht besonders fest war.
    Etienne begann den Zettel zu lesen. Es war eine Kundmachung der Gesellschaft an die Arbeiter sämtlicher Gruben. Sie teilte ihnen mit, daß angesichts der geringen Sorgfalt, mit der die Verzimmerung geschehen, und nachdem sie es müde geworden, fruchtlose Geldstrafen zu verhängen, sie den Entschluß gefaßt habe, für den Kohlenschlag eine neue Zahlungsweise einzuführen. Künftig werde sie die Verholzung gesondert bezahlen, nach dem Kubikmeter Holz, das hinabgeschafft und verwendet werde, wobei die zu einer guten Arbeit erforderliche Mindestmenge zugrunde gelegt werden solle. Natürlich werde der Preis eines Karrens Kohle herabgesetzt werden, und zwar im Verhältnisse von fünfzig Centimes auf vierzig, wobei übrigens die Beschaffenheit und Entfernung der Schläge in Betracht kommen solle. Zugleich wurde der Versuch gemacht, vermittels einer ziemlich unklaren Berechnung festzustellen, daß diese Herabsetzung von zehn Centimes durch den Lohn für die Verholzung wettgemacht werde. Die Gesellschaft fügte übrigens hinzu, daß sie jedem Zeit lassen wolle, sich von den Vorteilen der neuen Zahlungsweise zu überzeugen und sie daher erst am Montag, den 1. Dezember einführen wolle.
    »Lest nicht so laut!« rief der Kassier. »Man hört sein eigenes Wort nicht.«
    Etienne las den Zettel zu Ende, ohne sich um diese Bemerkung zu kümmern. Seine Stimme bebte, und als er geendigt hatte, fuhren alle fort, starr auf den Zettel zu schauen. Der alte und der junge Bergmann schienen noch auf etwas zu warten, dann gingen auch sie mit eingezogenen Schultern.
    »Herrgott!« brummte Maheu.
    Er und sein Gefährte saßen jetzt auf der Bank und verloren sich gesenkten Hauptes in Berechnungen, während der Zug vor dem gelben Zettel fortdauerte. Wollte man sich über sie lustig machen? Niemals würden sie bei der Verholzung die zehn Centimes hereinbringen, die sie bei dem Karren Kohle einbüßten. Höchstens würden sie acht Centimes verdienen, und so betrüge die Gesellschaft sie um zwei Centimes, die Zeit ungerechnet, die eine sorgfältigere Arbeit ihnen rauben werde. Darauf also zielte sie ab: auf eine versteckte Lohnverminderung! Aus der Tasche ihrer Arbeiter holte sie sich Ersparnisse.
    »Herrgott noch einmal!« wiederholte Maheu aufblickend. »Wir sind Hundsfötter, wenn wir uns das gefallen lassen.«
    Doch jetzt war der Schalter frei, und er trat näher, um seinen Lohn in Empfang zu nehmen. Bloß die Vorsteher der Schläge erschienen an der Kasse und teilten dann das Geld unter ihre Leute, wodurch Zeit erspart wurde.
    »Maheu und Genossen,« sagte der Beamte; »Filonnièreader, Schlag Nummer sieben.«
    Er suchte in den Listen, die man mit Hilfe der Arbeitsbücher zusammenstellte, in denen die Aufseher Tag für Tag die gelieferten Karren verzeichneten. Dann wiederholte er:
    »Maheu und Genossen, Filonnièreader, Schlag Nummer sieben... Hundertfünfunddreißig Franken.«
    Der Kassier zahlte.
    »Um Vergebung, Herr,« stammelte der Häuer betroffen; »sind Sie sicher, daß Sie sich nicht täuschen?«
    Er betrachtete das wenige Geld, ohne es vom Tische zu nehmen. Ein Frösteln überlief ihn und schlich ihm bis ans Herz. Wohl war er auf einen schlechten Halbmonatlohn gefaßt; aber so wenig konnte es nicht sein, oder er müßte schlecht gerechnet haben. Wenn er Zacharias, Etienne und den andern Kameraden, der an Chavals Stelle gekommmen war, befriedigt hätte, würden ihm höchstens fünfzig Franken bleiben für seinen Teil, für seinen Vater, für Katharina und Johannes.
    »Nein, nein, ich täusche mich nicht«, sagte der Beamte. »Zwei Sonntage und vier Arbeitsruhetage müssen in Abzug gebracht werden; das macht für euch neun Arbeitstage -- nicht?«
    Maheu verfolgte diese Berechnung und

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