Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
bis in die siebziger Jahre hinein nur für die noble Gesellschaft zugänglich. Danach gab es Veränderungen. Schon Arthur Schnitzler beschreibt das Haus in seinem Stück Das weite Land , wo es als ein Hotel des Fin de siècle auftaucht. Unsere Schulklasse kehrte natürlich nicht in diesem »goldenen Kalb« ein, wir hatten in einem einfachen Gasthaus Gulasch mit Knödeln gegessen und dazu Himbeer-Soda getrunken. Das war für uns schon aufregend genug. Vor allem imponierte mir, wie behände die Kellner uns allen die Speisen zur gleichen Zeit auftrugen. Von »bedienen« kann ich aus heutiger Sicht zurückblickend allerdings nicht sprechen. Sechs Teller trugen sie auf einer Hand und noch zwei in der anderen. Kein Zirkusjongleur konnte es besser. Das wollte ich auch können! So fing es an.
Im Lauf der Jahre veränderten sich meine Einstellung zum Kellnerberuf und das Bild, das ich von ihm hatte. Ich hatte rasch die Erfahrung gemacht, dass mehr erforderlich ist, als nur acht Teller tragen zu können, wenn man diesen Beruf mit allem, was dazugehört, einigermaßen gut ausüben möchte. Ich wollte weniger Teller tragen, wenn möglich nur drei. Das aber richtig.
Prägende Eindrücke in den »Drei Husaren«
Nach Ende der dreijährigen Lehre sollte man, wie es so schön heißt, »in die Welt hinausgehen«. Na ja, mit dem Hinausgehen hatte ich nicht so viel im Sinn. Eine bestimmte Sesshaftigkeit, um nicht zu sagen Trägheit, war mir angeboren. Man kann es auch Treue nennen. Passt besser zu mir. Trifft den Kern. Und so bin ich nach der Lehre im »Hotel zur alten Post« von Krems nach Wien zurückgekehrt und habe dort in verschiedenen kleineren Lokalen gearbeitet, bis ich schließlich in dem damals besten Restaurant der Stadt, den »Drei Husaren«, gelandet bin. In diesem herrlichen Gasthaus habe ich viele der bekanntesten Persönlichkeiten des Erdballs bedienen dürfen. Du lieber Himmel, wie war es aufregend, wenn Opernlegenden wie Guiseppe Di Stefano, Mario Lanza, Grace Bumbry, Maria Callas oder Leontyne Price das Restaurant betraten! Alle Gäste im Saal standen auf und klatschten Beifall.
Auch die vielen Film- und Theaterschauspieler habe ich immer sehr bewundert. Nach den Vorstellungen im Wiener Burgtheater kamen oft Schauspielergrößen wie Paula Wessely sowie Attila und Paul Hörbiger zum Souper. Für Sophia Loren wurden, wie wohl in jedem Restaurant, spezielle Pastagerichte angeboten, die sie wahrscheinlich gar nicht gerne aß – ihr Mann aber, der Filmproduzent Carlo Ponti, mit großer Vorliebe. Für Thrillerregisseur Alfred Hitchcock wurde im gesamten Restaurant das Licht ausgeschaltet, und er steckte sich eine Taschenlampe in den Mund, schaltete sie ein, so dass das Gesicht feuerrot zu leuchten und zu glühen begann, und gab furchterregende Laute von sich. Auch Liz Taylor war hier zu Gast. Ich erinnere mich, dass alle Köche und Kellner dachten, sie werde Wünsche haben, die wir schwierig oder womöglich gar nicht erfüllen könnten. So war es aber nicht. Ihr damaliger Mann Richard Burton (Nummer fünf und sechs ihrer Gatten) sagte zum Küchenchef: »Wir nehmen dasselbe, was Sie heute gegessen haben.« Das war Wiener Kalbsgulasch mit Serviettenknödeln. Eine der vielen Spezialitäten in diesem Restaurant. Liz aß, ohne zu murren.
Curd Jürgens hatte seinen Stammtisch. Er war aber nicht gram, wenn er ihn nicht bekam. Doch das Umsorgen seiner Person liebte er, und er bekam es in hohem Maße. Ein wunderbarer, unprätentiöser Mann und ein herrlicher Schauspieler. Wie gerne erinnere ich mich an seinen Professor Bernhardi im Theater in der Josefstadt oder an seinen Galilei im Burgtheater.
Als Grace Kelly in den »Drei Husaren« zu Gast war, war sie längst die Fürstin von Monaco. Welch riesige Menschenmenge stand vor dem Restaurant, um sie zu sehen und ihr zu huldigen! Ich empfand diese Kultur schon als etwas ganz Besonderes. Dabei, glaube ich, ging es nicht in erster Linie um Voyeurismus oder pure Neugier, es handelte sich mehr um Verehrung und darum, Größen wie Heinz Rühmann oder Hans Moser einmal im Leben nicht nur auf der flachen Kinoleinwand zu sehen, sondern leibhaftig und raumerfüllend.
Der Patron der »Drei Husaren«, Egon Fodermayer, war ganz ein Chef der alten Schule. Er hatte auch Witz und Humor. Jedem Gast vermittelte er das Gefühl, es werde ganz allein für ihn gekocht, sich speziell nur um ihn gekümmert. Das war eine wichtige Erfahrung, die mich sehr geprägt hat. Dieses Gefühl wurde einem Gast
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