Gern hab ich Sie bedient: Aufzeichnungen des Oberkellners im Hotel Vier Jahreszeiten Hamburg (German Edition)
königlich amüsiert und der noch jüngere Robert, trotz der sehr hübschen Freundin im Arm, herzlich lacht, sogar an der richtigen Stelle, dann ist man selbst vom Glück angelächelt und beseelt. Die beiden Ritas sorgen den ganzen Abend für mich, die eine mit immer vollem Wasserglas und die andere für Applaus. Auch Else Schnabel, die dazwischen sitzt, schmunzelt vor sich hin. Das berührt und erfreut mich sehr. Sie schätze ich ganz besonders!
Das Publikum wurde im Laufe der Jahre immer jünger. Diese jungen Menschen zu erreichen machte mich sehr, sehr froh. Ebenso erfreut war ich immer wieder über die vielen »Wiederholungstäter«. An einem der letzten Abende hatte auch Teddy feuchte Augen, und für sie musste ich dann »Sag beim Abschied leise Servus« singen. Leider hatte ihre Freundin Uta im letzten Moment absagen müssen, Günther war krank geworden. Manche hielten mir sogar jeden Abend die Treue. Das machte es mir nicht leichter. Um stets für Abwechslung zu sorgen, musste ich das Programm immer wieder ändern und erneuern. Jeder Abend wurde quasi nur einmal gespielt, war sozusagen einmalig.
Das Gros der Gäste hatte alles Gute und Schöne auf der Welt schon gesehen. Sie hatten sämtliche großen Bühnen und Opernhäuser besucht, sei es in New York, Paris, Wien oder Mailand, und doch kamen sie gern zu mir, um von mir unterhalten zu werden. Vor jedem Abend musste ich vielen Gästen absagen, die zu spät reserviert hatten. Umgekehrt geriet ich immer in Panik, wenn der Abend nach drei Tagen nicht mindestens zu einem Drittel gebucht war. Ich wollte, dass der Saal immer voll war bis auf den letzten Platz. Nur zwei Plätze nicht besetzt, und mein Ego hätte sehr darunter gelitten. Die Woche vor dem Ereignis kamen dann die Reservierungen nochmals zuhauf, und ich musste wieder Absagen verschicken. Das tat mir jedes Mal in der Seele leid. Jedem Gast versprach ich bei der Absage, dass er nächstes Mal mit Sicherheit einen Platz bekäme – und wenn ich ihn auf die Bühne setzen müsste.
Oft denke ich: »Lieber Herrgott, womit habe ich verdient, dass du mich so reich beschenkst?« Womit habe ich diesen Erfolg verdient? Natürlich hatte der Erfolg, wenn man es denn so nennen kann, auch kleine Nachteile, die meine sehr empfindliche Seele einschnürten: Es gab den unsinnigen Kollegenneid. Selber wollten die lieben Kollegen keine Mühen auf sich nehmen, die Früchte ernten aber ja. Direktor Peters half mir auch in diesem Punkt, indem er sagte: »Mitleid bekommen Sie umsonst, Neid müssen Sie sich hart erarbeiten.« Er hatte recht.
Der ominöse Kratzhals
Die hohen Anforderungen, welche ich mir da selbst auferlegt hatte, ließen dann ab und zu doch mein Herz klopfen und ich dachte: »Mein Gott, warum tu ich mir das an?« Es überkam mich gelegentlich auch das Gefühl, jetzt am liebsten sterben zu wollen.
Irgendwann bekam ich ungefähr eine Woche vor dem Auftritt ein Kratzen im Hals und eine »zue Nase«. Scheußlich! Es gibt nichts Schlimmeres, wenn man singen soll – na ja, jedenfalls das tun soll, was ich dafür hielt. Fragte mich jemand: »Was macht die Stimme, ist sie noch da?«, war meine Antwort stets: »Was man nicht hat, kann man nicht verlieren.«
Dennoch: Selbst wer nichts hat, hat immer noch etwas zu verlieren, und nun drohte ich auch noch das wenige zu verlieren, was ich hatte. Um das zu verhindern, begab ich mich mit meinem kratzenden Hals zu Dr. Brunckhorst. Er ist der Hals-Nasen-Ohren-Arzt in der Hamburger Dammtorstraße.
Im Hotel waren viele Ärzte zu Gast. Manche kannte ich seit Jahren. Sie gaben mir, wenn ich kränkelte, oft Ratschläge, was ich machen sollte, um gesund zu werden. So auch im Fall des bedrohlichen Halskratzens. Einer, erinnere ich, sagte: »Das beste Mittel ist starker Kamillentee mit einem Löffel Salz drin. Das Salz ist wichtig«, setzte er mit erhobenem Zeigefinger hinzu, »weil der Kamillentee zwar heilt und die Bazillen tötet, aber den Hals austrocknet. Und der Löffel Salz befeuchtet ihn wieder. Das ist das Geheimnis.« Das war am Nachmittag. Am selben Abend kommt ein sehr bekannter Tenor in den Grill, und ich frage ihn, nur pro forma, was ich denn gegen meinen Kratzhals machen könne. Darauf er: »Das einfachste und wirksamste Mittel ist Kamillentee mit einem Löffel Salz drin«, und erläutert weiter: »Das Salz heilt, tötet die Bazillen, trocknet aber aus, da ist der Kamillentee wichtig, er befeuchtet wieder.« Also als Erklärung das genaue Gegenteil von dem, was mir
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