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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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Bühne gegangen und habe den Conférencier gemacht. Den Konferenzer, wie Mama gesagt haben würde. Habe die ältesten Schoten ausgepackt. Sachen, die schon damals im Krüppelheim funktioniert haben. Der Lehrling Jacques Menasse . Habe Witze erzählt. Keine Reaktion. Nichts. Wie der Wallburg einmal gesagt hat, als ein Sketch völlig in die Hose ging: «Ich bin schon an fröhlicheren Beerdigungen gewesen.»
    Ich geriet regelrecht in Panik. Was Rahm bestellt hat, will er auch bekommen. Was soll er mit einem Regisseur, der es nicht mal schafft, seine Darsteller zum Lächeln zu bringen? So einer ist gerade gut genug, die Liste für einen Osttransport aufzufüllen.
    Ich bin vor den Leuten auf die Knie gefallen. Habe sie angefleht. In echter Todesangst. «Lacht!», habe ich gerufen. «Ich bitte euch: lacht! Lacht um euer Leben!» Das war das erste, das sie komisch fanden. Sie wussten: Das ist der lustige Gerron, und wenn er so etwas macht, muss es eine Nummer sein.
    Ha ha ha.
    Ich bin ein gottbegnadeter Komiker.
    Wir haben dann ein paar ganz anständige Publikumsschnitte gekriegt und hinterher zügig die ganzen Kabarett-Nummern aufgenommen. Ich habe das Karussell-Lied gesungen. Und den Haifisch. Wie es gewünscht wurde.
    Zum Glück waren keine Zuschauer mehr da.
     
    Wir drehen nicht mehr. «Vorläufig keine weiteren Aufnahmen», hat mir Eppstein mitgeteilt. Bin ich paranoid – ich hätte genügend Gründe, es zu sein –, oder stimmt mein Eindruck, dass er nicht mehr so freundlich zu mir ist wie in den letzten Wochen? Weiß eretwas, von dem er mir nichts sagen will? Bin ich auf der Abschussliste? «Sie haben sich in Ihrer Ubikation zur Verfügung des Herrn Lagerkommandanten zu halten», hat er gesagt. Ubikation . Nicht: Zimmer. Es ist immer ein schlechtes Zeichen, wenn die Leute Amtsdeutsch reden.
    Vor kurzem habe ich einen neuen Ausdruck gelernt: Der Belag wird verdichtet. Was nichts mit Brotaufstrich zu tun hat, sondern bedeutet: Ab sofort werden noch mehr Menschen im gleichen Schlafsaal untergebracht.
    Alle Arbeiten abgesagt. Ohne Erklärung. Dabei war der Drehplan für die ganze Woche schon bewilligt. Ist Rahm mit meiner Arbeit nicht zufrieden? Hat er sich Muster zeigen lassen, und sie haben ihm nicht gefallen? Wenn es so eine Vorführung gegeben hat – warum hat man mich nicht dazu eingeladen? Wo doch all diese Schnipsel und einzelnen Einstellungen für einen Laien überhaupt keinen Sinn machen. Es braucht jemanden, der sie erklärt. Der den Zusammenhang im Kopf hat. Sie brauchen mich doch.
    Sie brauchen mich doch.
    Geht nervös auf und ab. Das steht so in jedem zweiten Drehbuch. In unserem Kumbalek ist kein Platz dafür. Man kann sich nur hinsetzen oder aufs Bett legen.
    Ich habe die Betten schon zweimal gemacht. Habe versucht, sie so exakt hinzukriegen, wie man uns das in Jüterbog eingetrichtert hat. Kante auf Kante. Stundenlang haben wir das geübt. Und dann im Feld nicht ein einziges Mal ein Bett gehabt.
    Warum sagt mir niemand, was los ist? Ungewissheit ist Folter.
    Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht haben kann. Die Qualität des Bildmaterials ist gut. Ich kann das beurteilen, ohne es gesehen zu haben. Und schneller kann niemand auf der Welt arbeiten. Gestern haben wir an einem einzigen Tag sämtliche Theaterszenen gedreht. Hofmanns Erzählungen. In mitt’n Weg. Brundibár. Allein schon die Organisation war eine Meisterleistung. Der Herr Pečený von der Aktualita hat gestaunt. Er war sicher gewesen, dass der Drehplan nicht realistisch ist. Aber wir haben es geschafft. Drei verschiedene Theaterstücke auf derselben Bühne. Jedes mit seiner Dekoration.Am selben Tag. Plus all die Prominentenaufnahmen im Publikum. Dazu noch das Swingorchester auf dem Marktplatz. Das Oratorium im Terrassensaal. Und der Vortrag von Professor Utitz. Bei der Ufa hätten wir drei Tage für so ein Programm gebraucht. Ach was: eine Woche.
    Am Arbeitstempo kann es nicht liegen. Außerdem: Wenn es ihnen um die Geschwindigkeit ginge, würden sie die Dreharbeiten nicht unterbrechen.
    Sind sie wirklich nur unterbrochen? Oder ganz abgesagt? Hat Rahm seine Meinung geändert? Ist jemand in Prag mit dem Projekt nicht einverstanden? Ist eine Anweisung aus Berlin gekommen? Ich werde verrückt, wenn mir nicht bald jemand etwas sagt.
    Olga ist mit ihrer Putzkolonne unterwegs. Saubermachen bei den Dänen. Warum ist sie nicht bei mir? Ich brauche sie.
    Es ist besser so. Sie würde Fragen stellen, und ich wüsste keine Antworten. Selbst wenn sie

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