Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
ventilieren,
als wären sie nicht Menschen, sondern Fische.
Der Geist des Café »Bräunerhof« verwandelt
jedweden, der das Eintreten riskiert.
Erst wird er still. Dann ruhig. Dann gelassen.
Und langsam spürt er, wie er sanft mutiert:
Zum »Bräunerhofer«, jener Café-Spezies,
die nur in Wien entsteht und derart rar ist,
daß der Mutierte stumm vorm »Braunen« rätselt,
ob er unwirklich, wirklich oder wirklich wahr ist.
Nach Norden
Sehr naß und braun das Land. Darüber Krähen.
Hier ackern oder sähen nur Verdammte,
dem Boden eingerammte Troglodyten,
vor denen sich zu hüten ich empfehle.
Es haust die wüste Seele dieser Wesen
in einem Körper besengleicher Derbheit,
vertrocknet, hölzern, herb. Seit Olims Zeiten
verfolgen und begleiten böse Geister
dies Volk, um ihrem Meister, Satan heißt er,
das Glück des Unglücks-Anblicks zu bereiten.
Fragen in Stadthagen
Warum nur wird heute so schäbig gebaut?
Warum tat mans früher so prächtig?
Stadthagens Sparkasse: Völlig versaut.
Das Haus gegenüber: Ein mächtig
dahingelagerter Fachwerkbau.
Verziert, beschnitzt, gestaltet,
wirkt er alterslos vor des Himmels Blau
und nicht, wie der Neubau, veraltet.
Fahrt in die Nacht
des Landes der Kindheit
Das hatt' ich aber heller in Erinnerung!
Als ich Baghira war, standen die Wälder
so laublos nicht, die Wiesen nicht so sumpfig.
Als ich Baghira war, schien endlos die Sonne
aufs Rehskelett im Wald, das wir umstanden:
Balu, Akela und die kleinen Wölfe,
alle erhitzt. Denn wieder einmal war uns
das Eichhörnchen entkommen. Keckernd saß es
im Eichenbaum. Als ich Baghira war
und meine Meute auf alles hetzte, was
in Wald und Flur nicht wie Baghira war,
schien uns das Licht dem Anschein nach für immer.
Nun aber Dunkel. Burgdorf, auch Burgwedel
in Nacht gehüllt. Von Bissendorf zu schweigen,
wo ich Baghira war den ganzen Sommer
Fünfundvierzig. Nun aber Herbst und ich
im Zug nach Norden quer durch Zeit und Raum,
durch dunklen Raum und lichte Zeit. Als ich
Baghira war, da war das Leben ein
Dschungelbuch mit sieben Siegeln. Ich
hätte keins von ihnen brechen sollen.
Fortsetzung der Nachtfahrt
Dem Leben nicht und nicht dem Tode nah,
kam ich nach Augustfehn. »Da sind Sie ja!«
begrüßte mich der Fahrer, der da stand.
Dann gings nach Remels. Quer durch dunkles Land.
Ich schloß getrost die Augen. Der war nicht
der Todesbote. Und kein Lebenslicht.
Hannover – Bremen
Eine Winterreise-Trilogie
1. Station
Flaches Land im Griff der Kälte.
Kahle Felder, baumvergittert.
Ach, so gar nichts zeugt vom Ziele,
dem der Zug entgegenzittert:
Aufsteigt da ein Hügel riesig,
daß er jene Stadt verzwerge,
die zu schaun ich nie erträumte -
»Neustadt«. Sprich: »am Rübenberge«.
2. Station
Kleine Häuser – kleine Geister.
Wären da nicht hohe Bäume,
glaubte ich, hier gäbs nicht Höhres,
keine Taten, keine Träume:
Gibts doch? Bestens! Dennoch hoff ich
insgeheim, daß du, o Leser,
nicht in jener Stadt zu Haus bist.
Sprich: In Nienburg a.d. Weser.
3. Station
Bächlein schlängelt sich zum Flüsschen,
Flüsschen ziehts zu größren Flüssen -
So der Mensch. Will er nach Bremen,
wird er dies passieren müssen:
Sanfte Schafe, tumbe Kühe,
wiederkäuend. Und als Knaller
eine Stadt, die sanft und tumb scheint:
»Verden«. Sprich, in Klammern: (Aller).
Fahrt ins Dunkel
Wie ungeheuer grün das Grün
Wie furchtbar grau das Grau
Wie dunkel rings die Dunkelheit
Wie blau das späte Blau
So schwarz der schwarze Horizont
So licht das letzte Licht
So, endlich, gehts dem Ende zu
So, nichtig, hoffst du: nicht.
Roma Tiburtina – Fiumicino Aereoporto
In Rom beginnt bereits der Süden.
Die müden
Augen ruhen auf schwarzgrünen Pinien.
Die Linien
der Äste durchschneiden steile Zypressen,
indessen
sich Palmen fächerförmig spreizen.
Hier heizen
sie sicherlich nur einen Bruchteil dessen,
was in Hessen
Winter für Winter die Wohnungen warm macht,
und uns arm macht.
Rom – New York
Als ich des Atlantiks
doch sehr großes Wasser
im Flug überquerte
im vergleichsweise
doch sehr kleinen Flugzeug,
Da legte sich letzteres
sanft auf die Seite,
und mir kippten entgegen
das gehämmerte
Meer und darüber
Unzählige kleine
- wie anders? – weiße
Wolken. Sie warfen
tiefblaue
Schatten derart aufs Wasser,
Daß das Auge jeglichen Halt verlor,
daß sich kippend mischte Dahinter-Davor,
daß der Mann am Fenster im Fluge beschwor:
Das da müßte
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