Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
man flugs festhalten können!
Gespräch vor einer schwarzfigurigen
attischen Vase im New Yorker
Metropolitan Museum
War das nicht immer
das Ziel aller Künstler:
Überpersönliche Meisterschaft?
Lief nicht was falsch,
wenn heut jeder an seinem
höchstpersönlichen Kleister schafft?
- Da ist was dran
War das nicht immer
das Glück aller Kenner:
Überprüfbare Könnerschaft?
Tönt heute nicht,
nach dem Wegfall der Regeln,
jedwedes Urteil nur gönnerhaft?
- Wer kann, der kann
War denn nicht immer
zur Hochzeit der Künste
der Künstler ein Mann ohne Eigenschaft?
Folgt draus nicht heute,
daß man all die tollen
Originale mit Schweigen straft?
- Ich weiß nicht, Mann…
VI
Im Fall
Am Scheideweg
Hie dräut die Frage:
Was mach ich bloß?
Hie lockt die Antwort:
Was soll's!
Hie droht der Sturz
in die Ängstlichkeit.
Hie winkt der Flug
in den Stolz.
Traum vom Fliegen
Wenn diese Vögel mit den großen Schwingen
zum Flug anheben, ohne sich zu mühen,
dann schau ich ihnen nach bis ins Verglühen
und träum davon, das auch mal zu vollbringen:
Den Aufwind strikt nutzen, den Himmel gewinnen,
ganz oben hell glänzen, sehr fern und entrückt,
indes die da unten zu Chiffren gerinnen,
von normender Hand in den Boden gedrückt:
Auf denn! Den Anlauf genommen!
Wohlan! Zum Flug angesetzt!
O Gott! Ins Trudeln gekommen!
Verdammt! Was mache ich jetzt?
Was abläuft, ist lehrhaft.
Mich beutelt die Schwerkraft,
die jeden ins Meer rafft,
wenn er es nicht mehr schafft:
Sinken
Neigen
Trinken
Schweigen
Der Andere
Der andere Mensch. Unglaublich,
daß es ihn gibt, den anderen
Menschen, der da sitzt
und auf mich schaut und denkt:
Dieser andere Mensch. Unglaublich,
daß es den gibt! So
blicken wir einander an:
Ungläubig der andere Mensch
mich und ich voller Unglauben
den anderen Menschen:
Daß es uns gibt!
Meinem Hunde gesagt
Wenn du ein Tier bist, gibt es einen Gott.
So fremd wie der mir wär, bist du mir lange.
Ich nenn mich Mensch und nenn dich Hund, doch du
rufst mich nicht Mensch, du schweigst nur gottergeben.
Da du der Hund bist, bin ich wohl der Mensch.
Daß ich kein Gott bin, wird mir schmerzlich klar,
wenn du mich just so lange anhimmelst,
wie jenes Steak währt, das ich grad verspeise.
Mir bist du fremd, Hund, ich schein dir vertraut.
Machst auf dem Bett dich breit, in meinem Haus
ist bald kein Plätzchen nicht von dir besetzt:
So haust ein Gott in seinem Gotteshaus.
Du kennst dich aus, Hund. Treib es nicht zu bunt.
Ich kann auch anders! Schau, ich gehe fort!
Dreh ich den Schlüssel in der Tür, bin ich
ein freier Mensch, befreit von Haus und Tier.
Doch nicht von Gott. Sein donnernd »Kehre um!
Mein Hund ist dir nur anvertraut!« hat mich
noch jedesmal zu dir zurückgeführt,
nie ohne Opfer und nie ohne Gabe.
Oh euer beider abgekartet Spiel!
Obwohl ichs längst durchschaut, spiel ich es mit.
Samt Contra, Hund und Gott zieh ich es durch,
wohl wissend, daß ich in den Miesen lande.
Das ist ein Spiel, bei dem Mensch nur verliert.
Da Hund wie Gott ihm ständig Schuld zuweist,
sind seine Schulden bald nicht mehr zu zählen -
ein Wunder, daß er nicht den Bettel hinwirft.
Statt dessen misch ich, geb ich aus und weiß doch,
was unterm Tisch sich abspielt. Mag er noch so
treu aus der Wäsche schaun, der Hund, und Gott
noch so gekonnt die Vaternummer abziehn.
Sobalds ans Ausspieln geht, ist sonnenklar,
wer hier die Igel sind und wer als Hase
klamm vor die Hunde geht: »Ober, noch mal
das gleiche. Auf des Menschen Deckel! Klar doch!«
Glückspilz
Ich hab eine Frau
und ich hab einen Hund
»Glückspilz!«
Die Frau ist jung
und der Hund ist gesund
»Glückspilz!«
Die Frau ist hübsch
und der Hund ist schön
»Glückspilz!«
Seit einer Woche hab
ich sie nicht mehr gesehn
»Glücks… äh: Pechpilz!«
Ballade von der
Endlichkeit des Ruhms
Die große Menge wird mich nie begreifen, die Pfeifen.
R. G.
Nun, da er doch berühmt geworden war,
da wollte er auch etwas davon haben.
Er stieg hinab, begab sich unters Volk,
gewillt, im Bad der Menge sich zu laben.
Die Menge aber, ach! sie wich zurück,
als er sich ihr so unvermittelt zeigte.
Da wuchs ein Zorn in ihm. Und Zorn ward Wort,
das nun der Menge schroff die Meinung geigte:
»Arschklar! Mein Ruhm beruht auf euch. Jedoch
ihr seid die Vielen. Und ich bin der Eine.
Wer mit sich eins ist, braucht die Vielen nicht.
In Zukunft macht ihr euren Dreck alleine.«
Ein Donnerwort? Ein
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