Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
mein Mädel ausjespuckt.
(Aus dem Berlinischen)
4
Es wollte ein Vogel wohl hoch ins Blau
Er hatte keine Federn
Er hatte keine Flügel
Er wird nicht weit gekommen sein.
(Aus dem Albanischen)
V
In Fahrt
Abend in Fort Lauderdale
Malvenrot und gleich dahinter
Blattgrün spiegelt noch das Poolblau
vor dem Weiß der Yacht. Dahinter
breiter Bäume dunkle Kronen
neben, tiefschwarz, Königspalmen,
schlanken Stamms, gezackten Blattwerks
stehn sie wie gemalt. Dahinter
letztes Gold, so rasch verdämmernd,
daß das Licht des fernen Flugzeugs,
gelb-rot-gelb, schon mit den Sternen
um die Wette blinkt. In Eile
endet so der Tag und Schönheit
grenzenlos. Und nichts dahinter.
Ocean Drive
I
Muß dort ein Seegang herrschen!
Der Horizont gezackt,
indes sich hier am Strande
die Welle seufzend bricht,
und zwischen hier und hinten
der Pelikan im Flug
nur handbreit überm Wasser
mitreißend segelt.
Dahinten wär ich ungern.
Hier, wo ich bin, ist's fad.
Daß ich nicht der dazwischen sein kann,
weiß ich, und doch schmerzt es.
II
Wer hat angesichts des Meeres
nicht schon selber tief empfunden:
Angesichts des Meers erlebst du
deines Daseins höchste Stunden,
da sich angesichts des Meeres
auch das Herz der Seele weitet
und den Mantel der Gefühle
über die Begriffe breitet
und sie eint: Es sind das Helle,
Dunkle, Fahle, Harte, Weiche,
Schöne, Fade, Platte, Tiefe
angesichts des Meers das Gleiche.
Rheinfahrt im Winter
Ich fuhr gerade an der Loreley
vorbei
Weit hinter mir bereits lag Bingerbrück
zurück
Der Zug im Schatten, dafür floß der Rhein
im Schein
des späten Lichts, das nur im Januar
so klar
und derart mitleidlos in diese Welt
einfällt:
Da schien mir mein Trachten und Tun unerheblich,
mein Hoffen verfehlt und mein Reisen vergeblich
zum Zielort der Wahrheit. Denn all meine Züge
verkehren seit Jahren auf Gleisen der Lüge -
Ich schreckte auf, denn plötzlich sprach ein Mann
mich an:
Ob ich was wünsche? Dachte lange nach
und sprach:
Ach bringse mir doch bitte einen Sinn,
worin
ich mich sowie mein Fahrtziel finden kann.
Sodann
zog der Beamte schwankend ab, und mich
beschlich
Die Ahnung, der Mann werde nie wiederkommen.
So ward mir die letzte Hoffnung genommen.
Denn mittlerweile läßt Köln schon schön grüßen -
und da muß ich raus. Zeit, den Schwatz zu beschließen.
Vorfrühlingszeit
Durch schwarze Stämme geht der Blick
auf gleißend Grün, das hält zurück
ein Blühn.
Das Blühen schlummert noch. Doch ist
es bald soweit. Das Wann bemißt
die Zeit.
Die Zeit geht Tag und Nacht durchs Land
ganz unbemüht, und was sie bannt,
erblüht.
Die Werra vor Kassel,
Frühlingsbeginn 2001
Sehr tröstlich, am Wasser entlangzugleiten,
Wasser, in welchem sich Stämme spiegeln,
Stämme, dabei sich zu belauben,
Laub, welches hilft, an den Frühling zu glauben,
Frühling, geschickt, den Trost zu besiegeln,
Trost, welchen Bäume am Wasser bereiten.
Aufklärung hinter Pinneberg
Es bleibt in diesem hellen Licht
vor Augen nichts verborgen.
Das Schattennetz am Morgen
löscht dies hier nicht und das da nicht:
»Fuck sauber Nazi« lese ich
am Bahndamm gegenüber.
Ich les es gern. Noch lieber
ist mir der Rest, fast ein Gedicht:
»Gib Furz du Nazi und hau ab!«
Welch kraftvolles Gekrähe!
Hell hebt sich solch Gespraye
vom dumpfen Braun-in-Grau ab.
Vom Zug aus
Nasser Beton in Zürich-Altstetten.
Als ob sie nie wieder trocknen würden,
diese schwarzschraffierten, verseichten Balkons
längs des Bahndamms.
Auch ihnen hat mal die Sonne geschienen.
Auch auf ihnen haben fröhliche Leute getafelt.
Na – vielleicht nicht gerade fröhliche Leute.
Und auch nicht: getafelt.
Wer möchte denn schon am Bahndamm tafeln?
Wer will überhaupt am Bahndamm leben?
Wer am Bahndamm lebt, der hat doch verschissen,
ob mit oder ohne Regen.
Hängengeblieben nicht nur in Altstetten,
sondern auch noch im Kasten am Bahndamm!
Da ist ja nun jegliches Mitleid verschwendet:
Augen zu und vorbei!
Schöner Schiefer
Schön ist der Schiefer,
der Mensch gut beraten,
der ihn da auslegt,
wo Menschen zugang sind,
am vielgenutzten Tresen zum Beispiel
im Koblenzer Bahnhof.
Dort an der Zugauskunft
stutzt jäh der Reisende,
als seine Hand erst,
dann erst sein Auge
und schließlich sein Hirn ihm melden:
Wie schön er ist, der Schiefer!
Maienabend
Gewölk die halbe Sonn durchschneidt
ganz groß und rot. Die Abendzeit
macht, daß sie tief steht. Von dem Tann
strahlt
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