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Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006

Titel: Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gernhardt
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mein Mädel ausjespuckt.
    (Aus dem Berlinischen)
    4
    Es wollte ein Vogel wohl hoch ins Blau
    Er hatte keine Federn
    Er hatte keine Flügel
    Er wird nicht weit gekommen sein.
    (Aus dem Albanischen)

V
    In Fahrt
    Abend in Fort Lauderdale
    Malvenrot und gleich dahinter
    Blattgrün spiegelt noch das Poolblau
    vor dem Weiß der Yacht. Dahinter
    breiter Bäume dunkle Kronen
    neben, tiefschwarz, Königspalmen,
    schlanken Stamms, gezackten Blattwerks
    stehn sie wie gemalt. Dahinter
    letztes Gold, so rasch verdämmernd,
    daß das Licht des fernen Flugzeugs,
    gelb-rot-gelb, schon mit den Sternen
    um die Wette blinkt. In Eile
    endet so der Tag und Schönheit
    grenzenlos. Und nichts dahinter.
    Ocean Drive
    I
    Muß dort ein Seegang herrschen!
    Der Horizont gezackt,
    indes sich hier am Strande
    die Welle seufzend bricht,
    und zwischen hier und hinten
    der Pelikan im Flug
    nur handbreit überm Wasser
    mitreißend segelt.
    Dahinten wär ich ungern.
    Hier, wo ich bin, ist's fad.
    Daß ich nicht der dazwischen sein kann,
    weiß ich, und doch schmerzt es.
    II
    Wer hat angesichts des Meeres
    nicht schon selber tief empfunden:
    Angesichts des Meers erlebst du
    deines Daseins höchste Stunden,
    da sich angesichts des Meeres
    auch das Herz der Seele weitet
    und den Mantel der Gefühle
    über die Begriffe breitet
    und sie eint: Es sind das Helle,
    Dunkle, Fahle, Harte, Weiche,
    Schöne, Fade, Platte, Tiefe
    angesichts des Meers das Gleiche.
    Rheinfahrt im Winter
    Ich fuhr gerade an der Loreley
    vorbei
    Weit hinter mir bereits lag Bingerbrück
    zurück
    Der Zug im Schatten, dafür floß der Rhein
    im Schein
    des späten Lichts, das nur im Januar
    so klar
    und derart mitleidlos in diese Welt
    einfällt:
    Da schien mir mein Trachten und Tun unerheblich,
    mein Hoffen verfehlt und mein Reisen vergeblich
    zum Zielort der Wahrheit. Denn all meine Züge
    verkehren seit Jahren auf Gleisen der Lüge -
    Ich schreckte auf, denn plötzlich sprach ein Mann
    mich an:
    Ob ich was wünsche? Dachte lange nach
    und sprach:
    Ach bringse mir doch bitte einen Sinn,
    worin
    ich mich sowie mein Fahrtziel finden kann.
    Sodann
    zog der Beamte schwankend ab, und mich
    beschlich
    Die Ahnung, der Mann werde nie wiederkommen.
    So ward mir die letzte Hoffnung genommen.
    Denn mittlerweile läßt Köln schon schön grüßen -
    und da muß ich raus. Zeit, den Schwatz zu beschließen.
    Vorfrühlingszeit
    Durch schwarze Stämme geht der Blick
    auf gleißend Grün, das hält zurück
    ein Blühn.
    Das Blühen schlummert noch. Doch ist
    es bald soweit. Das Wann bemißt
    die Zeit.
    Die Zeit geht Tag und Nacht durchs Land
    ganz unbemüht, und was sie bannt,
    erblüht.
    Die Werra vor Kassel,
Frühlingsbeginn 2001
    Sehr tröstlich, am Wasser entlangzugleiten,
    Wasser, in welchem sich Stämme spiegeln,
    Stämme, dabei sich zu belauben,
    Laub, welches hilft, an den Frühling zu glauben,
    Frühling, geschickt, den Trost zu besiegeln,
    Trost, welchen Bäume am Wasser bereiten.
    Aufklärung hinter Pinneberg
    Es bleibt in diesem hellen Licht
    vor Augen nichts verborgen.
    Das Schattennetz am Morgen
    löscht dies hier nicht und das da nicht:
    »Fuck sauber Nazi« lese ich
    am Bahndamm gegenüber.
    Ich les es gern. Noch lieber
    ist mir der Rest, fast ein Gedicht:
    »Gib Furz du Nazi und hau ab!«
    Welch kraftvolles Gekrähe!
    Hell hebt sich solch Gespraye
    vom dumpfen Braun-in-Grau ab.
    Vom Zug aus
    Nasser Beton in Zürich-Altstetten.
    Als ob sie nie wieder trocknen würden,
    diese schwarzschraffierten, verseichten Balkons
    längs des Bahndamms.
    Auch ihnen hat mal die Sonne geschienen.
    Auch auf ihnen haben fröhliche Leute getafelt.
    Na – vielleicht nicht gerade fröhliche Leute.
    Und auch nicht: getafelt.
    Wer möchte denn schon am Bahndamm tafeln?
    Wer will überhaupt am Bahndamm leben?
    Wer am Bahndamm lebt, der hat doch verschissen,
    ob mit oder ohne Regen.
    Hängengeblieben nicht nur in Altstetten,
    sondern auch noch im Kasten am Bahndamm!
    Da ist ja nun jegliches Mitleid verschwendet:
    Augen zu und vorbei!
    Schöner Schiefer
    Schön ist der Schiefer,
    der Mensch gut beraten,
    der ihn da auslegt,
    wo Menschen zugang sind,
    am vielgenutzten Tresen zum Beispiel
    im Koblenzer Bahnhof.
    Dort an der Zugauskunft
    stutzt jäh der Reisende,
    als seine Hand erst,
    dann erst sein Auge
    und schließlich sein Hirn ihm melden:
    Wie schön er ist, der Schiefer!
    Maienabend
    Gewölk die halbe Sonn durchschneidt
    ganz groß und rot. Die Abendzeit
    macht, daß sie tief steht. Von dem Tann
    strahlt

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