Gesammelte Gedichte: 1954 - 2006
Schwimmers. Also
Mischt sich der Tiefsinn dem Flachsinn, und jene,
Welche da glauben, sie würden noch flachsen,
Wissen sie denn, ob sie längst nicht schon tiefsen?
XI
Wenn aber beide, der Ernste, der Spaßer
Nichts weiter wären als Seiten nur einer
Medaille? Jener, der Ernst, und jener, der
Spaß macht, machen nicht beide? Doch
Träge erwartet, daß man ihr mache
Das Bett, die Menge. Nur keinen Handgriff!
Laßt die nur machen! Uns doch egal
Obs Bett kratzt oder kitzelt!
XII
Wie aber wenn und es schalössen aus sich
Schapaß und das Ernste? Schaweres und Leichtes?
So, wie sich ausschaließt Feuer und Wasser,
Mensch und Schaweinsein, Gott und Schalange?
Es schawebt das Schawert über den Häuptern,
Es kommt zum Schawur für Schawache und Starke:
Was also wollt ihr? Den Leichtsinn? Schawermut?
Tarefft eure Wahl! Der Rest ist Schaweigen.
Die Florian-Freyer-Gedichte
1991
Ich bin ein Mann – hilf mir
ein Mensch zu werden
Elf Gedichte einer Liebe
von Florian Freyer
Rechenarten
Als ich noch
zurechnungsfähig war,
war ich
berechnend.
Du kamst und
schenktest.
Ich rechnete dir das
hoch an.
Du bliebst und
gabst.
Ich begann, damit
zu rechnen.
Als du dir
dein Recht nahmst,
da rechnete
ich auf.
Du gingst,
ohne abzurechnen. Seither
bin ich nicht mehr
zu Rechnungen fähig:
Ich bin ein Mann,
hilf mir, ein Mensch zu werden.
ALS ICH DICH
traf,
fühlte ich mich
nicht
getroffen.
Seit du weg
bist,
betrifft
mich das.
LIEBEN HEISST
das
Rechnen verlernen:
Eins plus Eins gleich Eins
Eins minus Eins gleich Zwei
Eins mal Eins gleich Unendlich
Eins durch Eins gleich Glücklich.
So viel zu tun:
In den Museen warten Bilder auf mich
In den Bibliotheken warten Bücher auf mich
In den Kinos warten Filme auf mich
In den Cafés warten Menschen auf mich:
Ich hätte so viel zu tun.
In meinem Zimmer warte
ich auf dich.
Ich Du Wir
I rrsinn
C haos
H altlosigkeit
D auer
U marmung
W ärme
I ntensität
R uhe.
Ampel
Als mich das
Lächeln
deiner roten Lippen
das erste Mal
traf,
habe ich nicht
richtig geschaltet.
Heute erst weiß ich,
daß sie mir
grünes Licht
gaben.
ICH SCHAUE DIR ZU,
wie du Tee
bereitest.
Wie du die Kanne mit
kochendem Wasser
anwärmst.
Wie du es
ausschüttest
und den Tee
hineintust.
Wie du ihm Zeit läßt,
sich zu entfalten,
bevor du
zum Wasser greifst.
Und ich fühle,
wie ich mich selber
entfalten könnte,
durch deine Gegenwart,
durch deine Sorgfalt,
durch deine Wärme,
Wenn ich mir nur die Zeit nähme.
Und wenn du mir die Zeit gibst.
ICH GEBE DIR
einen Schlüssel
für mein
Zimmer.
Ich weiß,
daß du ihn
nie
benutzen müssen wirst,
weil ich
immer
da sein werde,
wenn du kommst.
Aber ich fühle, daß
mein Zimmer
seither
unser Zimmer
ist.
DAS ELEKTRIZITÄTSWERK
wird Augen machen,
wenn es versucht,
mir für den letzten
Monat
die Rechnung
zu präsentieren:
Nie ferngesehen,
in deinen Augen sah ich mehr.
Nie Radio gehört,
deine Augen waren beredter.
Nie Licht gebraucht,
deine Augen strahlten so sehr.
Katze in Pflege
Ich rief
deine Katze
Sie kam nicht.
Ich befahl
deiner Katze
Sie gehorchte nicht.
Ich schrie
deine Katze an
Sie wandte sich ab.
Ich lockte
deine Katze
Sie blieb weg.
Erst als ich schwieg
vermochte ich zu hören:
Das Locken deiner Katze
Das Rufen deiner Katze
Das Fordern deiner Katze
Das Schnurren deiner Katze -
Nun habe ich dir
so viel
zu erzählen.
Am Morgen in deiner Strasse
Dein Bäcker
lächelt mich an.
Deine Gemüsefrau
lacht mir zu.
Dein Zeitungsmann
winkt strahlend.
Deine Blumenfrau
wünscht mir einen guten Tag.
Wie mürrisch dein Postbote!
Hatte er heute keinen Brief für dich?
Das Stadtschreibergedicht
1992
Die Ballade vom
Berger Fratzenstein
und seinen fatalen Folgen
1479
Vor Zeiten stak ein Fratzenstein
in Bergens Unterpforte.
Und nahte sich ein Fremdling, dann
las er die folgenden Worte:
»Far, du Gauch.«
Im Mittelalter sprach man so,
so frei, so derb, so trocken:
»Du hast uns grade noch gefehlt.
Mann, mach dich auf die Socken -
Verschwinde, du Gaukler!«
Ein Spielmann kam von Frankfurt her,
der war da zur Messe gewesen.
Barsch hat ihn Bergens Pförtner gefragt:
»Du Penner, kannst du nicht lesen?
Far, du Gauch!«
»Mein Herr, ich bin hungrig, mein Herr, ich bin müd,
mein Herr, laßt mich ein in Bergen!«
»Ich zähle bis drei, und dann bist du fort,
sonst rufe ich meine Schergen -
verschwinde, du Gaukler!«
»Und
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