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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Andrack
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den eigentlichen Rothaarsteig gelangt man aber erst nach einer halben Stunde.
    Auf dem breiten Waldweg gab es einen regen und nicht minder rasanten Forstverkehr. Ob die alle wohl hier rumfahren dürfen – braucht man dafür nicht eine besondere Erlaubnis?, fragte ich mich. Ist eigentlich der ehrenwerte Beruf des Wilderers ausgestorben? Gibt es heutzutage noch Baumdiebe? Und lebt denn der Holzmichel noch? Ich müsste mich mal an einen Förster meines Vertrauens wenden.
    Dann sah ich von weitem die erste riesige rote Markierung. Das hübsche Logo des Rothaarsteigs zeigt ein auf dem Rücken liegendes »R« auf rotem Grund. Dabei sieht das »R« aus wie eine stilisierte Hügellandschaft.
    Der Rothaarsteig ist in Zusammenarbeit der verschiedenen Anlieger-Tourismusverbände und mit Fördergeldern der drei beteiligten Bundesländer NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen seit 1997 ausgebaut worden. Insgesamt sind es 155 Kilometer, die man im Rothaargebirge zwischen Brilon und Dillenburg wandern kann. Toll ist auch der Slogan: der Weg der Sinne. Das versprach Gefühle, Leidenschaft, vielleicht auch ein Schuss Erotik. Trotzdem konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen, was wohl mit »Weg der Sinne« gemeint war. Bestimmt nicht sinnliche Rothaarige im Rotlichtviertel des Rothaargebirges.
    Ich befand mich also auf dem Weg der Sinne. Und der ging direkt tüchtig bergauf. Der Rothaarsteig ist das |64| genaue Gegenteil einer Talwanderung, wie man sie entlang des Lieserpfads machen kann. Die meisten Kilometer werden auf der Höhe zurückgelegt. Der Wanderweg verläuft obenan, und auf beiden Seiten geht es talwärts. Doch geht es hier nicht so steil bergab wie teilweise auf dem Moselhöhenweg, wo es wirklich Gratwanderungen auf extrem schmalen Pfaden gibt, bei denen ein falscher Schritt das Aus bedeuten kann.
     
    Während meiner Vorbereitung auf diese Tour wurde schnell klar, der Rothaarsteig ist nicht einfach ein Wanderweg wie jeder andere, der Rothaarsteig hat eine Philosophie. Er ist meines Erachtens der erste Wanderweg mit einer eigenen Philosophie, um nicht zu sagen Philosophieschule. Es fängt schon damit an, dass ich den Rothaarsteig gar nicht ohne das hoch gestellte »c« mit einem Kreis drum herum schreiben dürfte. Der Rothaarsteig ist eine geschützte Marke. Und jede Marke braucht eine eigene Philosophie: Dieser Wanderweg ist »konzipiert nach landschaftspsychologischen Gesichtspunkten« und bedient die »gehobenen Ansprüche des neuen Wanderpublikums«. Das neue Wanderpublikum! Nach der Neuen Mitte, dem Neuen Markt, New Wave und New Economy kommt jetzt das »Neue Wandern«.
    Damit haben die Macher des Rothaarsteigs (das ergäbe auch eine schöne Kinowerbung: »Von den Machern des Rothaarsteigs jetzt der nächste Blockbuster: der Odenwaldsteig«) einen neuen Trend geschaffen. In der Eifel wird diese Konzeption gerade auf dem Eifelsteig umgesetzt. Außerdem wird an einem Rheinsteig gebaut, der den alten Rheinhöhenweg ersetzen soll.
    Denn der »neue Wanderer« möchte schmale Pfade |65| statt Wanderautobahnen, schicke Ruheplätze statt vergammelter Bänke und ein ausreichendes gastronomisches Angebot. Der »neue Wanderer« möchte einfach ein »wanderbares Deutschland«, ein weiterer Spitzenslogan, der auch schon zur Marke geworden ist.
     
    Ein positiver Nebeneffekt der Philosophieschule »Neues Wandern« sind die Markierungen. Teilweise sind sie handtuchgroß mit leuchtend roter Farbe an die Bäume gepinselt. Es gibt auch waschlappengroße Metalltäfelchen. Selbst wenn es schnurgerade geradeaus geht, ist ungefähr alle 300 Meter eine Markierung angebracht. An Abzweigungen ist die Markierung hinter der Abzweigung an den nächsten Baum gemalt oder genagelt, sodass jeder Wanderer direkt sehen kann, wohin er gehen muss. Nicht so wie in der Eifel, wo die Wegewarte vor der Abzweigung mit Pfeilen den Wanderer verwirren wollen. Dort kann man oft nur erraten, wo es vielleicht langgehen könnte.
    An größeren Kreuzungen sind am Rothaarsteig Wegweiser mit Kilometerangaben zu den diversen Wanderzielen aufgestellt . Teilweise ist das Zeichen auch auf den Asphalt gemalt, wenn es der besseren Orientierung dient. Kurz, ich war hin und weg von |66| der Markierungsfülle. Das war wirklich mal eine Wanderung, bei der ich die Wanderkarte hätte vergessen können.
    |65|
    Rothaarsteig – vorbildliche Markierung
    |66| Die Wanderkarte hatte ich eingesteckt, dafür fehlte etwas anderes: meine Wandersocken. Beim Laufen merkte ich, dass ich in meinen

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