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Gesammelte Wanderabenteuer

Titel: Gesammelte Wanderabenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Andrack
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exakte Klassifikation von Feldwegen:
Sehr schöner Feldweg:
Zwischen zwei Feldern gelegen, die im besten Fall in voller Blüte stehen und, was noch ein extra Sternchen gibt, mit knallgelbem Raps bepflanzt sind. Und grasbewachsen sollte er sein, damit man federweich beschwingt voranschreiten kann.
Schöner Feldweg:
Siehe 1, Feldweguntergrund ist aber getrocknete Erde.
Nicht so schöner Feldweg:
Tiefe Furchen von Traktoren durchziehen den Weg. In der Mitte zu gehen ist anstrengend, weil man ständig zur Seite hin abrutscht, und in der Furche kann man die Füße nur hintereinander setzen.
Doofer Feldweg:
Mit tiefen Furchen wie bei 3, aber zusätzlich noch am Rand eines Feldes und an einem Waldstück entlang.
Sehr doofer Feldweg:
Wie 4, aber alles in nass und matschig.
    Unser schöner Feldweg war aber leider nach 400 Metern schon zu Ende. Rückblickend betrachtet, war dieser Weg irgendwie das Naturhighlight des gesamten Goethewegs. |108| Der Goetheweg ist weder ein Tal- noch ein Höhenweg. Ich würde ihn als Wald-und-Wiesen-Weg bezeichnen, dessen Charakteristikum viele Ortsdurchquerungen sind. Insgesamt durchwanderten wir zwischen Weimar und Großkochberg sechs Ortschaften. Das hat gegenüber dem reinen Naturerlebnis den Reiz, den Menschen in die Vorgärten und in die Wohnzimmer schauen zu können, um auf diese Weise interessante Einblicke in das Leben der Einheimischen zu bekommen.
     
    Nach Vollersroda kam Buchfart und dann Saalborn. Wir erreichten Saalborn zehn Kilometer hinter Weimar um 12:30 Uhr. Da wir Hunger hatten, folgten wir dem Schild, das den »Lindenhof« ankündigte.
    Wir gingen an einem Mitsubishi vorbei, der eine kleine Südstaatenflagge an der Radioantenne hatte. Auf dem Aufkleber am Heckfenster stand in altdeutscher Frakturschrift »Autonome Gebirgsrepublik Saalborn«.
     
    Am Gasthof »Lindenhof« stellten wir fest, dass die Restauration erst um 15 Uhr geöffnet wurde. Für mich war der Fall erledigt, und ich drängte auf schnelles Weitergehen. Anders Victor. Sein Sportsgeist war geweckt. »Ich klingele da jetzt.« – »Ne, lass doch.« – »Ich klingele jetzt.« Mir ist so etwas immer entsetzlich peinlich, und ich hielt mich dezent im Hintergrund. Victor klingelte. Die Tür ging auf. Ich hörte, wie Victor sich mit jemandem unterhielt. Kurze Zeit später gab mir Victor ein Okay-Zeichen: Alles klar!
     
    Der Wirt war eine stattliche, wohlgenährte Erscheinung. Wir hatten ihn aus seinem Mittagsschlaf geholt, |109| und er trug, was man so trägt, wenn man gerade aus dem Mittagsschlaf geholt wurde – ein T-Shirt, Unterhose und Wollsocken. Er erklärte, dass er noch nie jemanden weggeschickt habe. Seine Frau wäre zwar noch in der Stadt bei ihrer Arbeitsstelle, aber er könnte uns etwas zu essen machen.
     
    Wir wollten uns draußen in die Sonne unter die schöne Linde setzen, die dem Lokal ihren Namen geliehen hatte. »Seid ihr bescheuert, ich lauf doch nicht auch noch hin und her.« Okay, wir gingen also in den Schankraum.
    Ich fragte ihn, ob er auch etwas Einfaches ohne Schweinefleisch hätte. »Bist du Moslem, oder was?« – »Nein, nur allergisch gegen Schweinefleisch.« Er ging dann in seiner Unterwäsche in die Küche, um uns Bratkartoffeln mit Spiegeleiern zu machen. »Mit Zwiebeln?«, brüllte er aus der Küche zu uns herüber. – »Ja, klasse, bitte mit Zwiebeln! Dann fliegen wir mit extra Antrieb bis nach Großkochberg«, schrie Victor zurück. – »Ihr wollt heute noch nach Großkochberg? Zu Fuß? Das schafft ihr nicht!« Die Bewohner ländlicher Gebiete können sich beim besten Willen nicht vorstellen, worin der Sinn bestehen soll, freiwillig größere Strecken zu Fuß zu gehen. Jetzt wollte unser Wirt mehr über uns wissen.
     
    »Was seid ihr, seid ihr Studenten?« – Bei diesem faulen Studentenpack kann man sich ja noch vorstellen, dass die montags Zeit haben, durch die Gegend zu ziehen.
    »Keine Studenten, ach so. Seid ihr fertige Studenten, mit Mercedes und so?« – Victor gab sich letztendlich als Schauspieler zu erkennen.
     
    |110| Jetzt hörten wir einen Bericht über den Niedergang des Weimarer Nationaltheaters. »Früher sind alle Bauern hier einmal in der Woche ins Theater. Das war schön. Dann haben die in den 60ern angefangen, Goethe mit nur einem Stuhl zu spielen. Nee, nee, ich finde, es geht auch ohne Faust.«
    Die Bratkartoffeln waren fertig und schmeckten lecker. Der gesamte Schankraum war mit Fettdunst eingenebelt. Der Wirt setzte sich an die Hammond-Orgel in der

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