Gesammelte Werke 1
Partei, er war nicht einmal ein Bündnis von Parteien. Die Umstände hatten den Stab in zwei unversöhnliche Lager gespalten: in die absoluten Gegner der Türme und in die absoluten Befürworter. Alle diese Leute standen mehr oder weniger in Opposition zur bestehenden Ordnung, aber, Massaraksch, wie unterschiedlich waren ihre Beweggründe!
Da gab es die Biologisten, denen es völlig gleich war, wer sich an der Macht befand - der Papa; der Spross einer Familie großer Geldleute; der Anführer eines Clans von Bankiers und Industriellen oder eine demokratische Union der Werktätigen. Sie wollten allein, dass die verfluchten Türme verschwänden und sie endlich wieder wie Menschen leben könnten, das heißt, wie früher, in der Vorkriegszeit. Dann gab es die Aristokraten - Überreste der privilegierten Klassen des alten Reichs. Sie bildeten sich immer noch ein, es läge hier ein langanhaltendes Missverständnis vor, und das Volk sei dem legitimen Erben des Kaiserthrons - einem trostlosen, groben Kerl, der soff und an Nasenbluten litt - bis heute treu. Nur diese gemeinen Türme, eine verbrecherische Erfindung von eidbrüchigen Professoren der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, hinderten das gute, einfache Volk daran, seine aufrichtige Ergebenheit für den legitimen Herrscher zum Ausdruck zu bringen. Und dann gab es noch die Revolutionäre, die ebenfalls für die bedingungslose Zerstörung der Türme eintraten - hiesige Kommunisten und Sozialisten, wie zum Beispiel Wildschein. Sie waren in der Theorie beschlagen und von den Klassenkämpfen der Vorkriegszeit kampfgestählt; für sie war die Zerstörung der Türme nur eine notwendige Voraussetzung für die Rückkehr zum natürlichen Verlauf der Geschichte, das Fanal für eine Reihe von Revolutionen, an deren Ende eine gerechte Gesellschaftsordnung stehen sollte. Ihnen hatten sich auch die aufrührerisch gestimmten Intellektuellen wie Sef oder der tote Gel Ketschef
angeschlossen - ehrliche Menschen, die das System der Türme für widerwärtig und gefährlich hielten und glaubten, es werde die Menschheit in eine Sackgasse führen.
Zum anderen Lager des Untergrunds zählten die Elitaristen, die Liberalen und die Aufklärer. Sie alle waren für die Beibehaltung der Türme. Die Elitaristen - der äußerste rechte Flügel des Untergrunds - waren, wie Sef es ausdrückte, eine Bande von Machtgierigen, die es in die Regierung drängte und dabei bisher keinen Erfolg gehabt hatten: Ein gewisser Kalu der Spitzbube, früher ein prominenter Führer dieser faschistischen Gruppierung, hatte es mittlerweile bis ins Departement für Propaganda geschafft. Die Politbanditen waren bereit, mit aller Gewalt und ohne Bedenken bei der Wahl ihrer Mittel gegen jede Regierung zu kämpfen, der sie nicht selbst angehörten. Die Liberalen waren eigentlich gegen die Türme und gegen die Unbekannten Väter; am meisten jedoch fürchteten sie einen Bürgerkrieg. Sie waren patriotisch, sorgten sich um Ruhm und Macht des Staates und befürchteten daher, die Vernichtung der Türme werde ins Chaos führen, zur Schändung der Heiligtümer und zum irreparablen Zerfall der Nation. Was nun die Aufklärer anging, so waren das zweifellos ehrliche, aufrichtige und kluge Leute. Sie hassten die Tyrannei der Unbekannten Väter, waren kategorisch gegen die Verwendung der Türme zum Betrug an den Massen, hielten sie aber für ein machtvolles Werkzeug zur Erziehung des Volkes. Der heutige Mensch sei von Natur aus ein Wilder, sagten sie, ein Tier. Ihn mit klassischen Methoden zu erziehen, würde viele Jahrhunderte dauern. Ziel der Aufklärer war es daher, das Tier im Menschen auszubrennen, seine animalischen Instinkte abzutöten, ihn das Gute und die Nächstenliebe zu lehren und ihm den Hass auf Unwissenheit, Lüge und Gleichgültigkeit einzuflößen. Diese edle Aufgabe, so die Aufklärer, könne man mit Hilfe der Türme im Laufe einer einzigen Generation bewältigen.
Kommunisten gab es nur wenige - fast alle waren im Krieg oder während des Umsturzes umgebracht worden. Die Aristokraten nahm niemand ernst; die Liberalen wiederum waren zu passiv und wussten oft selbst nicht, was sie wollten. Die einflussreichsten Gruppierungen mit den meisten Anhängern stellten daher die Biologisten, die Elitaristen und die Aufklärer dar. Sie hatten allerdings nahezu nichts gemeinsam. So bestand der Untergrund aus den unterschiedlichsten Gruppierungen, die zwar allesamt für parlamentarische Regierungsformen eintraten, aber weder
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